Per Doppelgänger zum Führerschein

MANNHEIM. Drei Fahrschulbesitzer müssen sich seit Dienstag vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Sie sollen Ausländern zum Führerschein verholfen haben - und das ohne Prüfung.

Zwölf der 188 zumeist türkischen Kandidaten sind Analphabeten, einer kann kaum sehen. Mehrere hatten niemals am Unterricht der Fahrschule teilgenommen. Einige waren zuvor bereits bis zu sechs Mal durch die theoretische Prüfung gefallen. Um dies in Zukunft zu verhindern, warben die drei Angeklagten sieben "Doubles" an, die den Test stellvertretend absolvierten. Vier von ihnen stehen jetzt ebenfalls vor dem Landgericht, darunter ist auch eine Frau aus Polen. Sie erhielten pro Prüfung bis zu 500 Euro. Den größten Reibach machte jedoch die Fahrschule "Akcay", die in Mannheim, Hanau und Frankfurt vertreten war. Ihre Schüler bezahlten je nach Führerscheinklasse bis zu 7000 Euro. Hinzu kamen die üblichen Gebühren. Ein Türke blechte allein 750 Euro für den Sehtest und die Erste-Hilfe-Bescheinigung. Oberstaatsanwalt Dietz spricht von einem "eingespielten und professionell arbeitenden Team". Die Beschuldigten haben die Vorwürfe im wesentlichen eingeräumt. Beim TÜV in Mannheim, Ludwigshafen, Frankfurt und Hanau blieb der Schwindel zunächst unbemerkt. Dort hatten sich die "Doubles" mit gefälschten Papieren vorgestellt. Ihr Lichtbild war auf die Ausweise der eigentlichen Führerschein-Aspiranten aufgeklebt. Den Prüfern fiel auch nicht auf, dass immer wieder die gleichen Kandidaten auftraten. "Merkwürdig" findet dies Ankläger Dietz: "Das wirft schon einige Fragen auf." Es gebe jedoch keine Hinweise, dass die Prüfer bestochen wurden.Ohne Prüfung den Schulbus gefahren

Der Oberstaatsanwalt spricht von "erheblichen Gefahren" für den Straßenverkehr. Ob die Ausländer später Unfälle verursachten, darüber liegen keine Erkenntnisse vor. Einige von ihnen nutzten den illegal erworbenen Führerschein, um als Kraftfahrer zu arbeiten. Ein Türke beförderte Schulkinder, ein anderer war offenbar als städtischer Busfahrer unterwegs. Ein Mann ließ sich den "Lappen" durch das Arbeitsamt im Rahmen einer Umschulung finanzieren. Ermittler waren den Gaunern durch "vertrauliche Hinweise" auf die Spur gekommen, berichtete Dietz. Auch ein Türke gab der Polizei einen wichtigen Tipp: Er fragte die Beamten ganz naiv, ob die Praxis der besagten Fahrschule legal sei. Unter seinen Landsleuten hatte es sich herumgesprochen, dass die Prüfungen durch Dritte abgelegt wurden. Eine "Vertreterin" bereitete sich jedoch nicht ausreichend vor und fiel beim theoretischen Teil durch. Die Anklage geht von mindestens 188 Fällen der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung aus. Darauf steht eine Höchststrafe von 15 Jahren, sagt Dietz. 176 angeklagte Straftaten betreffen die Theorieprüfung, zehn Fälle den praktischen Teil. Ein weiterer Beschuldigter wird mit Haftbefehl gesucht. Der türkische Mitbesitzer der Fahrschule hat sich durch Flucht dem Verfahren entzogen. In seinem Mannheimer Büro fand die Polizei eine halbautomatische Waffe. Die Führerscheinerwerber müssen den "Lappen" nun wieder zurückgeben. Manche bereits das zweite Mal. Gegen sie wurde bereits vor Jahren im Rahmen des Mannheimer "Tüv-Skandals" ermittelt. Damals halfen Prüfer beim Ausfüllen Hunderter von Testbögen. Für den aktuellen Prozess sind neun Verhandlungstage anberaumt. Das Urteil soll am 11. September verkündet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort