Pfeift die Justiz im Land aus dem letzten Loch? (Update)

Mainz/Wittlich/Trier · Eine personelle Unterdeckung von 20 Prozent, schlechte Bezahlung und Nachwuchsnöte: Justiz-Gewerkschaften mahnen von der Landesregierung größere Unterstützung an.

Beschreibt Winfried Conrad das Innenleben eines Knastes in Rheinland-Pfalz, fällt sein Urteil ernüchternd aus. Es gebe mehr verhaltensauffällige Gefangene als früher und mit radikalem Islamismus auch eine neue Form der Bedrohung, sagt der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten. Im Umkehrschluss behauptet Conrad, dass Beamte trotz gewachsener Aufgaben immer weniger Zeit haben, sich um die Insassen der Gefängnisse zu kümmern. Seine Kritik: Es gebe zu wenig Personal. Und die verfügbaren Mitarbeiter müssten immer wieder Lücken füllen, worunter deren Gesundheit leide. Zehn Prozent der Vollzugsbeamten seien im Landesschnitt berufsunfähig, sagt Conrad.Rheinland-Pfalz zahlt deutlich weniger Geld

Was in den Justizvollzugsanstalten gilt, beanspruchen auch die Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und Anwälte an Amtsgerichten für sich. Deren Gewerkschaften sprachen am Dienstag in Mainz allesamt davon, dass es personell eine personelle Unterdeckung von 20 Prozent gebe. Rolf Spurzem, Landesvorsitzender der Deutschen Justizgewerkschaft, rechnet in zehn, fünfzehn Jahren gar mit 30 Prozent und mehr. Er kritisiert das Land dafür, dass beim Personalbedarf Krankheiten, Schwangerschaften und Kündigungen weitgehend unbeachtet blieben. Zudem mangele es der Justiz inzwischen an fähigem Nachwuchs, sagen die Gewerkschaften.

Man konkurriere mit der freien Wirtschaft und anderen Bundesländern um die besten Kräfte, die woanders mehr Geld verdienen. Conrad verdeutlicht das mit Angaben der hessischen Landesregierung, wonach Strafvollzugsbeamte in Baden-Württemberg bis zu 76 Euro, in Hessen bis zu 108 Euro und in Bayern bis zu 249 Euro mehr verdienen als in Rheinland-Pfalz. Conrad sagt, von sechs freien Stellen im Justizvollzug habe man zum 1. August lediglich drei besetze können. Mehr habe die Bewerberlage nicht hergegeben. Nachwuchs brauche es aber, zumal in den kommenden Jahren etliche Bedienstete in Pension gehen. Geht es um Forderungen, erwarten die Gewerkschaften vom Land, offensiv um Nachwuchs zu werben.Strafvollzug drohen weitere Kürzungen

Auch Geld sei natürlich ein Anreiz, sagt Rechtspflegerin Jutta Fett. "Die Regierung verschanzt sich immer hinter dem Begriff der Schuldenbremse", mäkelt sie. Genau die ist auch Winfried Conrad ein Graus, wenn er in den Doppelhaushalt 2017/18 blickt. In dem Papier stehen zehn Stellen, die der Strafvollzug einsparen muss. Für die Jahre danach geht Conrad von 50 weiteren Stellen aus, die wegbrechen, um den ausgeglichenen Haushalt zu verwirklichen. "Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Gefangenen eher steigt. Wie wir das schaffen sollen, weiß ich nicht", klagt er. Christoph Burmeister, Sprecher des Justizministeriums, sagt, es bleibe dem Doppelhaushalt 2019/20 vorbehalten, ob es zu weiteren Kürzungen komme.

Das gelte auch für eine mögliche Erhöhung der Besoldung, bei der das Ministerium zur Kenntnis nehme, dass Rheinland-Pfalz nicht im Spitzenbereich liege. Man behalte im Auge, ob dies Nachteile bei Einstellungen habe. Beim Werben des Nachwuchses präsentiere sich das Land regelmäßig auf Jobmessen. Die Opposition verteidigt die Gewerkschaften hingegen: CDU-Fraktionsvize Christian Baldauf fordert das Land auf, Stellen aufzustocken. AfD-Politiker Damian Lohr führt den Mangel an Nachwuchskräften auf einen "Bildungsnotstand" im Land zurück.

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