Polit-Philosophie

Wenn Georg Gölter, Ex-Kultusminister und Urgestein in der CDU-Fraktion, im Mainzer Landtag ans Rednerpult geht, wird es meist grundsätzlich. Wer kritisch frage, werde gleich in die Ecke gestellt, und alle Strukturen seien sakrosankt, monierte Gölter jüngst in der Haushaltsdebatte eine weit verbreitete Uneinsichtigkeit der Politik - und wurde sogleich von seiner SPD-Kollegin Margit Mohr zum Philosophen befördert.

"Nicht jeder, der etwas nachdenkt, ist gleich ein Philosoph", merkte umgehend der Grünen-Abgeordnete und studierte Politologe und Philosoph Bernhard Braun belehrend an. SDie Weisheiten und Erkenntnisse der versammelten Dichter und Denker blieben denn auch sehr begrenzt. "Der Landeshaushalt schillert wie eine Seifenblase und ist hohl wie eine taube Nuss", wusste CDU-Fraktionschef Christoph Böhr als promovierter Philosoph. "Sie haben ja kluge Frage gestellt, sind aber kluge Antworten schuldig geblieben", konterte sein SPD-Gegenspieler Joachim Mertes. S"Das ist keine finanzpolitische Milchschnitte, sondern schwere Kost", nahm FDP-Mann Werner Kuhn Anleihe aus der Fernsehwerbung mit den Box-Brüdern Klitschko, um den schwierigen Weg zu beschreiben, wie aus Landesvermögen Geld zu machen ist. Grünen-Frontfrau Ise Thomas spöttelte dagegen nur, Kuhn sei als "Tiger gesprungen und als kleines Straßenkaterchen gelandet". Und überhaupt: Die fruchtlose Haushaltsdebatte nehme ihr jegliche finanzpolitische Leidenschaft, gab Thomas zu Protokoll. SDeren grüne Begeisterung sei ohnehin "eine Leidenschaft, die Leiden schafft", keilte Kuhn gleich mehrfach zurück, damit es auch jeder verstehen möge. Ungewollt traf seine polit-philosophische Erkenntnis diesmal auch die allgemeine Beurteilung der langatmigen Haushaltsreden auf den Punkt.

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