Politik will Schlupflöcher schließen

BERLIN. Gleich zwei Gesetzesentwürfe zum Sexualstrafrecht beschäftigen zurzeit den Deutschen Bundestag. Beide wollen Kinder und Jugendliche stärker vor Missbrauch schützen und die Verfolgung von Kinderpornografie erleichtern. Doch der Weg durch das deutsche Rechtssystem ist mühsam.

Ginge es nach dem Verein "Schotterblume", wäre das Thema schnell erledigt. Die engagierten, gelegentlich etwas übereifrigen Kämpfer gegen den Kindesmissbrauch haben vor einigen Monaten ihre Forderungen dem Petitionsausschuss des Bundestages überreicht. Danach sollen Zusammenschlüsse generell verboten werden, die den Zweck verfolgen, sexuelle Handlungen von Erwachsenen an Kindern zu legalisieren. Damit wäre Gruppierungen wie der "Krummen 13" des früheren Trierers Dieter Gieseking die Grundlage entzogen. Sie werben bislang legal mit Publikationen oder Veranstaltungen für eine Entkriminalisierung pädophiler Sexualität. Dabei fungieren sie einerseits als legitime öffentliche Diskussionsforen, andererseits aber auch als "Selbsthilfegruppen" und Kontaktbörsen im Umfeld krimineller pädophiler Aktivitäten. Das deutsche Strafrecht, das dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes verpflichtet ist, kennt aber in der Regel keine Gesinnungsstrafen. Wer beispielsweise Ladendiebstahl für eine legitime Form der Umverteilung hält, selbst aber keinen solchen begeht, wird deshalb nicht bestraft. Gleiches würde auch für eine Bürger-Initiative gelten, die sich etwa die Legalisierung von Haschisch zum Ziel setzt. So erteilte das Justizministerium dem Anliegen von "Schotterblume" eine klare Absage. Würde man den Intentionen der Kinderschützer folgen, führte dies zu einer "derzeit nicht überschaubaren Ausdehnung von Strafbarkeit", hieß es in einer Stellungnahme.Gesinnung ist nicht strafbar

Eine pädophile Vereinigung, die sich zusammenschließe, um konkrete Straftaten zu begehen, mache sich auch schon nach dem jetzigen Recht strafbar. Dennoch suchen die Bundestagsfraktionen derzeit nach einer Möglichkeit, die Schlupflöcher in der Grauzone zwischen freier Meinungsäußerung und Förderung von Kindesmissbrauch juristisch zu stopfen. Dabei greift sowohl der Gesetzesantrag von CDU/CSU wie die Initiative von SPD und Grünen auf den Paragraphen 140 des Strafgesetzbuches zurück. Dieser Tatbestand ist die Ausnahme von der Regel, dass das Strafrecht nur die Tat, nicht aber die Meinungsäußerung ahndet. Für besonders schwere Kapitaldelikte von Mord bis Landesverrat sieht er vor, dass "die Belohnung und Billigung" solcher Taten bestraft werden kann. Beide Gesetzesentwürfe schlagen nun vor, sexuelle Straftaten gegen Kinder in diese Ausnahmeregelungen aufzunehmen. Der Entwurf von SPD und Grünen beschränkt sich dabei auf schwere Delikte, CDU und CSU wollen alle Fallgruppen aufnehmen, um "ein unmissverständliches Signal des Gesetzgebers zu setzen", wie es in der Begründung des Entwurfs heißt. Zurzeit befinden sich beide Entwürfe in den Ausschuss-Beratungen, die juristische Grundsatzdebatte ist keineswegs abgeschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort