Racheakt für einen bissigen Hund?

MORBACH. Rund 50 Demonstranten mehrerer Organisationen haben gestern im Morbacher Ortsbezirk Gonzerath (Kreis Bernkastel-Wittlich) gegen den Landesparteitag der NPD protestiert. Die Rechtsradikalen kündigten an, die alte Schule in Gonzerath künftig regelmäßig als Tagungs- und Schulungszentrum nutzen zu wollen.

Die Rechtsradikalen lieben das Versteckspiel. In der per Mail verschickten Einladung zum NPD-Landesparteitag Rheinland-Pfalz wird als Veranstaltungsort nur auf den Kreis Bernkastel-Wittlich verwiesen und auf eine Handy-Nummer, unter der genauere Informationen erhältlich seien.Wer dort in der vergangenen Woche anrief, wurde abermals vertröstet. "Melden Sie sich am Samstagabend noch einmal", meinte Sprecher Safet Babic kurz und knapp, bevor er einhängte. Samstagabend - ein ähnliches Schauspiel: "Pressekonferenz ist um 14 Uhr in Gonzerath", sagt Babic, um auf Nachfrage zu ergänzen: "Vorher wird die Presse nicht reingelassen. Über den Grund bin ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig."

Tags darauf in der 1200-Einwohner-Gemeinde Gonzerath: Es ist kurz nach 9 Uhr, als nach und nach die ersten NPD-Delegierten an der alten Schule eintrudeln. Olivgrün gekleidete junge Männer mit kurz geschnittenen Haaren und Ordnerbinde am Arm patrouillieren um das Gebäude und verweisen Neugierige vom Gelände.

Die Polizei hält sich auffällig zurück, ist allerdings stark vertreten. An sämtlichen Zufahrtsstraßen stehen Polizei- und Zivilfahrzeuge, in der Morbacher Feuerwache wartet eine Hundertschaft auf den Einsatzbefehl. Er wird nicht kommen an diesem Sonntag, es bleibt alles ruhig.

Während die Rechtsradikalen mit ihrem nicht öffentlichen Parteitag beginnen, sitzt Ortsvorsteher Dietmar Thömmes mit einigen Männern ein paar hundert Meter entfernt im Gasthaus "Alte Post" beim Frühschoppen. "Der Besitzer der alten Schule fühlt sich hier nicht mehr wohl, will das Gebäude für einen horrenden Preis verkaufen", sagt Thömmes auf die Frage nach einem möglichen Grund, warum die Rechtsradikalen ausgerechnet den beschaulichen Hunsrück-Ort für ihren Parteitag ausgesucht haben könnten. Der NPD-Aufmarsch - ein Druckmittel, um die Gemeinde zum Ankauf des Gebäudes zu bewegen?

Morbachs Bürgermeister Gregor Eibes hält auch für denkbar, "dass es sich um eine Retourkutsche handelt". Vor einem Dreivierteljahr hat sein Ordnungsamt dem Eigentümer der alten Schule den Hund weggenommen, weil der Schnauzermischling zweimal einen Menschen gebissen hatte. Die NPD-Versammlung - ein Racheakt?

Kurz nach Mittag treffen auf dem Parkplatz gegenüber der alten Schule die ersten Demonstranten ein. Es sind Jugendliche aus dem Ort, die ein Schild mit der Aufschrift "Nazis raus" an die Bushaltestelle vor dem Gebäude kleben. Nach und nach kommen weitere Protestierer - vom Multikulturellen Zentrum und der Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier sowie vom Bernkastel-Wittlicher Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage. "Keine Chance für Nazis" und "Stopp Nazis" steht auf den mitgebrachten Schildern.

Als die Journalisten um 14 Uhr zur angeblichen Pressekonferenz in die Schule gebeten werden, spielen die NPD-Vorderen Parteitag. Der neue Vorstand wird bekannt gegeben, eine Resolution verabschiedet, "ein Kamerad", der sich unbotmäßig verhalten und die rechte Hand gehoben habe, aus der Partei ausgeschlossen. Es riecht nach Inszenierung. "Die Demonstranten da draußen haben Angst, dass in den nächsten fünf, zehn Jahren richtig sauber gemacht und aufgeräumt wird mit dem Gesindel", posaunt Udo Pastörs, der NPD-Fraktionschef im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, und die brav Gescheitelten und Ungescheitelten in dem muffeligen Saal applaudieren.

Ortsvorsteher Dietmar Thömmes ist am frühen Abend froh, "dass alles friedlich über die Bühne gegangen ist. Wenn die noch einmal kommen", sagt er zum Abschied, "dann steht das halbe Dorf hier und demonstriert."

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