Rangelei um Zuständigkeiten

MAINZ. Die Diskussion um eine Verwaltungsreform sorgt für Verärgerung unter den kommunalen Spitzenverbänden. Vor allem Verbandsgemeinden und Landkreise reklamieren Aufgaben für sich, um ihre Position zu stärken.

Gemeindebund

Es ist vor allem der Gemeinde- und Städtebund (GStB), den die Forderungen der FDP nach Abschaffung der Verbandsgemeinden auf die Barrikaden treiben. Der GStB will diese politische Ebene als bürgernahe Verwaltung stärken statt sie aufzulösen. Für den kommunalen Spitzenverband, in dem weitgehend die Verbandsgemeindebürgermeister den Ton angeben, heißt Verwaltungsreform in erster Linie Weiterentwicklung des bestehenden Systems. Orts- und Verbandsgemeinden sind nach Überzeugung des GStB-Vorsitzenden Heijo Höfer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen, "unverzichtbare Bausteine" der rheinland-pfälzischen Kommunalstruktur. Zwar räumt der Verband ein, dass es im Land höchst unterschiedliche Gebietsstrukturen gibt. So hat mit Neumagen-Dhron die kleinste Verbandsgemeinde (rund 6000 Einwohner) nur ein Drittel der Bewohner der größten verbandsangehörigen Gemeinde Konz (18 000). Ebenso hat die große kreisangehörige Stadt Neuwied mit 67 000 Einwohnern mehr Bevölkerung als der kleinste Landkreis Daun (64 000) und ist doppelt so groß wie das kreisfreie Zweibrücken. Rheinland-Pfalz brauche dennoch keine flächendeckende Gebietsreform, lautet der Tenor bei Höfer. Die Vorstöße der FDP würden mit dem Ende der landesweit 163 Verbandsgemeinden auch das Aus für die Ortsgemeinden bedeuten, ist er sicher.

Der Weg in die Einheitsgemeinde wäre vorgezeichnet, bei dem laut Höfer Bürgernähe und ehrenamtliches Engagement verloren gehen. Entsprechend will der GStB mit seinen Reformvorschlägen die zweigliedrige Gemeindeebene beibehalten und die Verbandsgemeinden mit bisherigen Aufgaben der Kreise aufwerten.

Bei KFZ-Zulassung, Führerschein, Einbürgerung und Zuständigkeiten für die Schulen bis einschließlich Realschule und Regionaler Schule soll sie zuständig werden. Auch ausgeweitete Kompetenzen von Sozialhilfe und Grundsicherung über eine kommunale Polizei bis hin zur Verbandsgemeinde als Bau- und Bodenbehörde schweben dem Gemeindebund vor. Die Landkreise sollen demnach Aufgaben abgeben und dafür Zuständigkeiten von Landesbehörden erhalten – etwa die Heimaufsicht. Landesämter oder Fachbehörden könnten in die Kreisverwaltungen eingegliedert werden, schlägt der GStB vor.

Denkbar ist nach diesem Reformkonzept, dass einige Landkreise und Verbandsgemeinden zu klein für die neue Aufgabenverteilung sind. Doch die Frage nach Mindestgrößen soll erst am Ende des Prozesses geklärt werden. Fest steht für den Kommunalverband dagegen, dass kreisfreie Städte unter 100 000 Einwohner "eingekreist" werden sollten.

Landkreistag

Verwaltungsreform ja, aber keineswegs zu Lasten der Kreise, lautet die Devise der Landkreise. Im Gegenteil: Sie erwarten eine eindeutige Ausweitung ihrer Zuständigkeiten. Auch wenn die Kreise den Verbandsgemeinden nicht den Garaus machen wollen, haben sie mehrfach klargestellt, dass sie nicht bereit sind, Aufgaben weiter nach unten zu verschieben. Rückläufige Bevölkerungszahlen sprächen für mehr Verlagerung auf Kreisebene, lautet ihre Logik. Die Vorschläge des Gemeindebunds seien teils weder sinnvoll noch konsensfähig, so der Vorsitzende des Landkreistags, der Kuseler Landrat Winfried Hirschberger. Er warnt vor Qualitätsverlusten und unwirtschaftlichen Strukturen.

Die Kraftfahrzeugzulassung oder das Bauwesen könnten nicht auf 200 Stellen im Land verteilt werden, argumentieren die Kreise. Erst recht müsse bei rückläufigen Schülerzahlen die Kompetenz und Leitplanung für Schulen – außer den Grundschulen – bei ihnen angesiedelt werden.

Die Landkreise rechnen zwar kaum damit, dass nach dem Ende der Bezirksregierungen und dem Umbau der Mittelbehörden im Jahr 2000 in größerem Umfang neue Aufgaben "von oben" übertragen werden, selbst wenn sie sich als "geborener Partner" des Landes in der Fläche sehen. Gleichwohl fordern sie die Integration von Fachbehörden des Landes. Eine stärkere Übertragung staatlicher Aufgaben an die Kreise ist aus ihrer Sicht ein Schritt zu mehr Wirtschaftlichkeit.

Auch bei den Ansichten über Bürgernähe gibt es große Unterschiede zwischen Gemeindebund und Landkreistag. Bürgernah könne nicht die "Verwaltung um die Ecke" bedeuten, stellt Hirschberger klar. Die könne sich niemand mehr leisten. Er verweist dagegen auf das Internet und den zunehmenden Einsatz elektronischer Verwaltung. Unterstützt sieht sich der Landkreistag vom Berliner Staatswissenschaftler Professor Joachim Jens Hesse. Der Reformplaner fordert mehr Mut zur Kommunalisierung von Aufgaben und eine Entflechtung der Zuständigkeiten zu Gunsten der Kreise.

Die Vertreter der Landkreise sind sicher, dass an ihnen kein Weg für eine Reform vorbei geht. Effiziente, kostengünstige und damit bürgerfreundliche Verwaltung heißt laut Hirschberger, einen "Königsweg" zu gehen, in dem die Kreisebene als Bündelungsbehörde gestärkt wird, staatliche Aufgaben übertragen und soziale Zuständigkeiten bei den Kreisen konzentriert werden.

Städtetag

Eine Verwaltungsstrukturreform ist notwendig, lautet die schlichte Erkenntnis des Städtetages Rheinland-Pfalz. Doch nach dem Vorpreschen des Gemeinde- und Städtebundes reagierte der kommunale Spitzenverband unwirsch mit der Kritik, dass man sich nicht von anderen vorgeben lasse, was zu unternehmen sei. Nicht auf Zuruf, sondern aus einem Guss müsse die Reform angelegt sein, stellte Städtetags-Vorsitzender Christof Wolff klar. Der Landauer Oberbürgermeister kann sich für seine Stadt schon länger ein Zusammengehen mit dem Kreis Südliche Weinstraße vorstellen. Doch andere kleinere kreisfreie Städte in der Pfalz winken entschieden ab. Unabgesprochene Einzelvorstöße erschwerten die Diskussionen, so Städtetagsgeschäftsführer Gunnar Schwarting.

Wert legt der Städtetag darauf, dass eine Strukturreform nach einheitlichen Kriterien gesteuert wird, um nicht in Einzelfällen zu agieren und damit das kommunale Gesamtgefüge aus dem Lot zu bringen. Unter besonderer Beobachtung stehen daher auch Überlegungen zu einer Fusion der Landkreise Mainz-Bingen und Alzey-Worms zu einem Großkreis Rheinhessen. Die Städte plädieren dafür, Aufgaben von der Kreis- auf die Gemeindeebene zu verlagern. Sie sind überzeugt, dass eine Reform auch eine Reduzierung der Verwaltungseinheiten mit sich bringen muss. Mehr als 2300 selbstständige Gebietskörperschaften mit unterschiedlichen Zuständigkeiten sind nach ihrer Auffassung nicht mehr den steigenden Anforderungen einer wirtschaftlichen und effizienten Verwaltung gewachsen. Vor einer umfassenden Aufgabenkritik wollen die Städte jedoch nicht über den Zuschnitt der Gebietseinheiten oder mögliche Mindestgrößen spekulieren. Ein Bestandsschutz für jeden Kreis, jede Stadt oder Gemeinde könne es aber nicht geben, heißt es in einer Resolution des Städtetags.

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