Rastlos ratlos

MAINZ. Der Start lief nicht glatt, die erste große Rede war verkorkst, und die Hoffnungen auf den elanvollen Neuanfang blieben unerfüllt: Sechs Monate nach seinem Start ist für CDU-Fraktionschef Christian Baldauf die Übungszeit vorbei. Die Haushaltsrede kommende Woche wird zur Nagelprobe für den Hoffnungsträger.

Christian Baldauf bei CDU-Kommunalpolitikern in Bad Dürkheim, bei einer Aftershow-Party in Heidelberg, bei Rechtspflegern in Mainz, beim Kreisparteitag in Germersheim - rastlos tourt der neue CDU-Fraktions- und Parteichef durchs Land, um sich zu zeigen. Dabei wird das Grummeln - hinter vorgehaltener Hand - vor allem in Kreisen der Landtagsfraktion zunehmend lauter. Der Vormann zeige weder Führungsstärke noch deutlich politisch Flagge, heißt es. Dass der Oppositionsführer bei seinem ersten großen Auftritt im Mai allzu unbedarft mit angreifbaren Zahlen in die Redeschlacht um Kurt Becks Regierungserklärung stolperte und vom SPD-Chef wie ein Anfänger abgewatscht wurde, räumt Baldauf selbst ein. Doch gebessert hat sich seitdem nicht viel. Noch in der jüngsten Landtagssitzung wurde er von der Regierung wegen seiner Absage an neue Landesgelder für den dauersubventionierten Flughafen Zweibrücken in die Mangel genommen, während er selbst in einer bestaunenswerten Kehrtwende versuchte, den Tage zuvor verursachten politischen Flurschaden für seine Partei in der Südwestpfalz zu begrenzen. Statt politische Konzepte und Oppositionsstrategien zu entwickeln, hüpft der 38-jährige jugendlich-freundliche Jurist ziemlich populistisch von Thema zu Thema, fordert Steuersenkungen bei hohem Benzinpreis, denkt laut über eine Strafmündigkeit bereits für Zwölfjährige nach und übt sich in Nadelstichen gegen die große Koalition in Berlin. "Vom Hölzchen aufs Stöckchen"

"Es gibt keinen roten Faden, keine Linie", räumen selbst diejenigen ein, die ihm wohl gesonnen sind und keineswegs als Christoph-Böhr-Nostalgiker gelten. Altvordere in der Fraktion wissen, dass Kurt Beck kein "Gute-Laune-Bär" ist, dem nur mit einer jugendlichen Charme-Offensive beizukommen ist. Und durchaus mit Respekt schauen CDUler auf den neuen SPD-Wirtschaftsminister Hendrik Hering, der sich mit "harter Arbeit" zum zweiten Mann hinter Beck aufbaut. Kritische Töne machen sich auch über Baldaufs wenig ausgeprägten Führungsstil breit. Bislang ist es ihm nicht gelungen, die bekannt schwierige Unions-Truppe wirklich zu integrieren. Auch dass er es noch nicht geschafft hat, sich von seinem direkten Umfeld in der Fraktion mit seinen Stellvertretern Alexander Licht, Marlies Kohnle-Gros und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Hans Josef Bracht zu emanzipieren, wird in den eigenen Reihen mehr als argwöhnisch beobachtet. Unorganisiert bis chaotisch, so laufen nach Angaben von Abgeordneten viele Fraktionssitzungen ab. Diskussionen führten vom "Hölzchen aufs Stöckchen", aber nicht zu einem Ergebnis. Von klarer Linie sei nichts zu erkennen. Noch werden Kritik und Unzufriedenheit unter der Decke gehalten. Gleichwohl steht für viele fest: Die Schonfrist ist vorbei. Bei der Haushaltsrede muss Baldauf zeigen, ob er lernfähig ist und sich auf Augenhöhe mit der Regierung anlegen kann. Journalisten ließ er bereits wissen, dass er in der Opposition nicht seine Aufgabe darin sieht, "zu sagen, wo eingespart werden soll und wo nicht".

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