Rudi und Genossen

Mit ihren ehemaligen Vorsitzenden hat so manche Partei schon ihre Last gehabt. Helmut Kohl brachte mit seiner Spenden-Affäre die Christdemokraten derart in Turbulenzen, dass sie zeitweilig völlig kopflos waren. Noch immer ist er als berüchtigter Strippenzieher im Hintergrund gefürchtet. Ganz frontal greift dagegen Ex-Obergenosse Oskar Lafontaine seine lieben Parteifreunde an und schießt nicht nur via Bild-Kolumne seine Giftpfeile gegen die aus seiner Sicht unsozialen Sozialdemokraten. Merklich subtiler sind seit längerem die "Verständigungsprobleme" der rheinland-pfälzischen Spitzengenossen mit ihrem einstigen Vormann Rudolf Scharping. Spätestens seit seinem Absturz als Verteidigungsminister wandelt der frühere Ministerpräsident bei Parteitagen seinen langjährigen Weggefährten entfremdet durch die Hallen. Einen heftigen Knacks bekam die Verbindung zu Nachfolger Kurt Beck, als der im Frühjahr - zumindest vom Zeitpunkt her überraschend - seine Kandidatur als Bundespartei-Vize für die Neuwahlen im Herbst anmeldete. Stinksauer ließ Noch-Vize Scharping öffentlich wissen, dass er über eine erneute Kandidatur noch nicht entschieden habe. Nun war man wieder in Mainz höchst irritiert, denn bei der letzten Wahl hat der einst von Lafontaine gestürzte Parteichef nicht einmal mehr 60 Prozent als Stellvertreter erreicht. Keine gute Basis für eine Wiederwahl. Und zwei Rheinland-Pfälzer als Parteivize hinter Schröder - das gilt genauso als undenkbar wie eine Kampfkandidatur Beck-Scharping. Höchst erleichtert ließen nun wiederum vor wenigen Tagen rheinland-pfälzische SPD-ler bei einer Tour in die Hauptstadt durchblicken, dass Scharping nicht mehr antritt. Eine Kandidatur gegen Beck wäre "einer Selbsthinrichtung" gleichgekommen, wie SPD-Fraktionschef Joachim Mertes zitiert wurde. Und erneut wuchs der Zorn des Bundestagsabgeordneten Scharping auf seine Genossen. "Unverschämtheit" hallte es aus Berlin. Scharping wolle seinen Verzicht selbst erklären und nicht als Getriebener erscheinen, meint ein langjähriger Kenner des eigenwilligen Westerwälders, der sich aus Verärgerung über Becks Vorpreschen bisher nicht zur Unterstützung des Pfälzers durchringen konnte. Für zusätzlichen heftigen internen Wirbel sorgte nun in dieser Woche ein in der Staatskanzlei von Beck vorgestelltes Buch über die rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten. Dort schreibt Staatskanzlei-Mitarbeiter Gerd Mielke, dass Scharping "vom Hoffnungsträger zum tragischen Helden und am Ende zum ‘Untoten' an der SPD-Spitze wurde". Gewöhnlich treiben "Untote" nur in Zombie-, Vampir- oder sonstigen Gruselfilmen ihr Unwesen. Ein "peinlicher Patzer" wie Regierungssprecher Walter Schumacher sogleich feststellte. Beck selbst, der das Buch vorher wohl nicht allzu sorgfältig studiert hatte, distanzierte sich vor der SPD-Fraktion heftig von dem Mielke-Beitrag. Den Begriff "Untoter" soll Politikwissenschaftler Mielke, der einst von Scharping als politischer Vordenker in die Regierungszentrale geholt wurde, als Zitat verwendet haben ohne es allerdings entsprechend zu kennzeichnen. Die eilige Versicherung von Schumacher, dass das Buch weder von der Staatskanzlei herausgegeben, noch bezuschusst und erst recht nicht als Präsent weiter gegeben werde, wird kaum zu Entspannung des frostigen Klimas beitragen.

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