Saufen bis zum Umfallen

Sie trinken bis zum Umfallen: beim Rosenmontagszug, bei Volksfesten oder bei "All you can drink"-Partys. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der mit akuten Alkoholvergiftung in Kliniken stationär aufgenommenen Jugendlichen bis 18 Jahre verfünffacht.

Mainz. Alkoholexzesse mit tödlichem Ausgang beim Trinken ohne Abwinken zum Festpreis - wie jüngst in Berlin - sorgen bundesweit für Schlagzeilen. Doch jugendliche "Alkoholleichen" trüben inzwischen auch bei vielen Festen und Veranstaltungen im Land die Feierlaune. Wegen akuter Alkoholvergiftung mussten 2005 mehr als 1000 Kinder und Jugendliche bis 18 stationär in Krankenhäusern behandelt werden, 1995 waren es noch 191. Die vielfach höhere Zahl der ambulanten Behandlungen ist nach Angaben des Mainzer Sozialministeriums nicht gesondert erfasst."Flat-Rate-Saufen", also das unbegrenzte Trinken zu einem pauschalen Preis, wurde in den letzten Jahren in Rheinland-Pfalz nur vereinzelt beobachtet, wie aus einer parlamentarischen Anfrage der FDP zum Thema Jugend und Alkoholmissbrauch hervorgeht. Häufiger finden allerdings so genannte "Ein-Euro-Partys" statt, bei denen die Getränke zum Schnäppchenpreis zu haben sind und so für reichlichen Alkoholkonsum sorgen.Mehr Kontrollen und verstärkte Aufklärung

Problematische Alkoholgelage meldet auch die Gemeinde Morbach mit der so genannten "Oettinger-Gang", die nach einer Biermarke benannt wurde. Die über 16-Jährigen kaufen Bier und trinken es dann mit Jüngeren auf Spielplätzen oder dem Friedhofsgelände. Die Weitergabe von Bier an jüngere Jugendliche zu unterbinden, sei natürlich schwierig, räumt Theodor Gätz von der Morbacher Verwaltung ein. Bei Weinfesten in Rheinhessen bringen viele Jugendliche als Selbstversorger bereits reichlich Alkohol und Mixgetränke mit. Zugenommen hat nach Erfahrung der Jugend- und Ordnungsämter auch das "Rucksack-Saufen" oder "Warmtrinken" außerhalb des Veranstaltungsgeländes.Auf zunehmenden Alkoholmissbrauch müsse mit verschärften Kontrollen und verstärkter Aufklärung reagiert werden, fordert Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD). Sie hält mit Blick auf die aktuelle Diskussion der Innenminister um ein Verbot des Flat-rate-Trinkens die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gegen exzessiven Alkoholkonsum für ausreichend. Veranstaltungen, bei denen laut Dreyer von vornherein absehbar ist, dass gegen das Verbot der Alkoholabgabe an Betrunkene verstoßen wird, können bereits im Vorgriff untersagt werden. Daneben ist im Gaststätten- und Jugendschutzrecht grundsätzlich geregelt, dass Hochprozentiges (branntweinhaltige Getränke) nicht an Minderjährige und Bier oder Wein nicht an Jugendliche unter 16 verkauft werden darf.Neben der schulischen Aufklärungsarbeit sieht die Ministerin allerdings auch die Eltern gefordert, um dem Nachwuchs einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol zu vermitteln. Ein generelles Alkoholverbot für Minderjährige führt nach ihrer Einschätzung nicht nur dazu, den Konsum in den privaten Bereich zu verlagern, sondern dem Alkohol auch noch einen besonderen Symbolwert des Erwachsenseins zu verleihen. Eine solche "Aufwertung" ist meist eher kontraproduktiv.

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