Schärferes Gesetz bringt nicht mehr Sicherheit

MAINZ. Gesetze werden verschärft, in vielen Ländern die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei merklich ausgeweitet: Justizminister Herbert Mertin warnt vor dem Vorspiegeln von Sicherheit. Der Kampf gegen die Kriminalität kann nicht beliebig ausgeweitet werden, mahnt der Trierer Strafrechtsprofessor Hans-Heiner Kühne.

Internationaler Kampf gegen Terrorismus, abscheuliche Kindermorde oder schlicht die zunehmende Gewaltkriminalität treiben die Politik zu Reaktionen. Lauschangriff und Telefonüberwachung sollen nach dem neu vorgelegten rheinland-pfälzischen Polizeigesetz erleichtert werden. Andere Bundesländer fordern die umfangreiche Speicherung von DNA-Analysen (genetischer Fingerabdruck) aller möglicher Straftäter und wollen die Sicherheitsverwahrung ausweiten. "Wir dürfen den Bürgern nicht durch das Verschärfen von Strafen und erweiterte Ermittlungsmaßnahmen auf Kosten des Rechtsstaates eine scheinbare Sicherheit vorspiegeln", sagte Justizminister Herbert Mertin (FDP) im Vorfeld einer Expertendiskussion um Kriminalität und Sicherheit. Er weist Forderungen einiger CDU-Bundesländer zurück, Verurteilte in großem Umfang auch bei leichten Straftaten über DNA-Analyse zu erfassen und warnte vor dem "gläsernen Menschen". Die Speicherung möglichst vieler Straftäter in einer DNA-Datei vermeide keine Gewaltverbrechen, so Mertin. Dass es im Ringen um mehr Sicherheit zu irrationalen Reaktionen kommt, machen nach dem Verständnis des renommierten Rechtsanwalts Franz Salditt folgende Zahlen deutlich: 1990 wurden im Schnitt pro 100 Angeklagten sechs Jahre Freiheitsstrafe verhängt, 2001 waren es bereits 9,3 Jahre. Während im gleichen Zeitraum die Zahl der Straftaten bundesweit um neun Prozent gestiegen ist, erhöhte sich die Zahl der Gefangenen in Strafhaft um mehr als ein Drittel. Die Kriminalitätsbekämpfung kann nach Meinung des Strafrechtlers Hans-Heiner Kühne nicht beliebig ausgeweitet werden. Erst recht nicht zu Lasten von Bürgerrechten. Das Unsicherheitsgefühl der Bürger und weniger die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung hat nach seiner Einschätzung dazu geführt, dass der Staat immer mehr Rechte für sich reklamiert. Verdachtsunabhängige Kontrollen, so genannte Vorfeldermittlungen, und der erweiterte Einsatz von DNA-Analysen sind für ihn ein Zeichen dafür, dass sich die Grenzen zwischen Verbrechenskontrolle und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte mit den stetig ausgeweiteten Eingriffrechten des Staates verschoben haben.Härteres Vorgehen hilft nicht weiter

Man könne nicht Stellen bei Polizei und Justiz abbauen und den Verlust dann mit mehr Rechten für die Ermittler kompensieren, sagt Kühne. Härteres Vorgehen gegen Straftäter und die Einschränkung von Freiheitsrechten zu fordern, hilft nach seiner Überzeugung im nicht weiter. Er fordert, die Ursachen der Kriminalität stärker anzugehen. Sicherheit ist aus Sicht des Polizeigewerkschafters Hugo Müller relativ. Zwar ist Rheinland-Pfalz nach seiner Meinung ein verhältnismäßig sicheres Land. Doch das Bild ist laut Müller trügerisch. Nehme die Zahl der Polizisten ab, werde auch weniger Kriminalität registriert. Bundesweit gibt es nach seinen Angaben seit 2001 rund 7000 Beamte weniger. Eine Kriminalitätsrate von Null könne sich kein noch so finanzkräftiges Land leisten, so der Wirtschaftswissenschaftler Roland Kirstein. Doch die Frage, wie viel Kriminalität sich die Gesellschaft erlauben könne, vermochte auch er nicht zu beantworten.

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