Schule geht Nachwuchs aus

MAINZ. In den Grundschulen hinterlässt der Nachwuchsmangel bereits seit Jahren Spuren. Immer häufiger hilft ihnen nur eine Ausnahmegenehmigung der Schulaufsicht über die Runden. Der Landesrechnungshof rät zu Zusammenlegungen oder einer Neuabgrenzung von Einzugsbereichen, um Geld und Personal wirtschaftlicher einzusetzen. Doch damit stößt er noch auf wenig Gegenliebe.

Der Proteststurm war harsch, als die Saar-Landesregierung 2005 eine Schließungswelle für die Grundschulen verkündete. Ausgezahlt hat sich der Widerstand nur teilweise: Statt 100 werden "nur" 70 der 270 Primarschulen über einen Zeitraum von fünf Jahren geschlossen. Auch wenn in Rheinland-Pfalz der Schülerschwund nicht ganz so existenzbedrohlich ist und es seit Jahrzehnten oft erhebliche Schwankungen gab: Seit dem Jahr 2000 geht es mit den Schülerzahlen kontinuierlich bergab - mit zunehmendem Tempo. Innerhalb von sechs Jahren sank die Zahl der Kinder in den ersten vier Klassen um mehr als 15 000 auf aktuell noch rund 167 000. Das Statistische Landesamt erwartet für 2009/10 mit 153 000 Schülern einen Stand wie zu Beginn der 1990er-Jahre. Im Jahr 2015 dürfte es auch in der Region Trier rund ein Fünftel weniger Grundschüler geben als 2002. In der Langzeitberechnung bis 2050 sind für die Kreise Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich gar Rückgänge von 40 und mehr Prozent ausgewiesen. Für Bitburg-Prüm und Trier-Stadt schlägt ein Minus zwischen 35 und 40 Prozent, für den Kreis Daun knapp darunter zu Buche. Klar ist für Politiker wie Lehrer, dass Schulen eine bestimmte Größe haben müssen, um ihren pädagogischen Auftrag zu erfüllen. In der Grundschule muss jede Klassenstufe mindestens eine Klasse umfassen, in der wenigstens 14 Schüler unterrichtet werden. Im Herbst 2005 liefen bereits 43 der rund 900 Grundschulen mit Ausnahmegenehmigungen, 200 potenzielle Kandidaten hat der Rechnungshof angesichts weiter sinkender Schülerzahlen ausgemacht und mahnt ein Gegensteuern an. Er selbst macht sogar für gezielt untersuchte Schulen Lösungsvorschläge bis hin zur Aufgabe einzelner Standorte, die jedoch wie ein Geheimnis gehütet werden, um nicht einzelne Schulen ins Rampenlicht zu stellen.Erhalt der Schulen genießt Vorrang

Zwar plädiert auch das Bildungsministerium grundsätzlich für einen wirtschaftlichen Einsatz von Personal und Geldern, stellt jedoch unmissverständlich klar, dass aus pädagogischen und strukturpolitischen Gründen der Erhalt auch kleinerer Grundschulen Vorrang hat. Über eine Zusammenarbeit von Schulen solle nicht zuletzt mit den Kommunen als Trägern geredet werden, ohne dass es deswegen zu Schließungen kommen müsse. "Die Diskussion um Schulschließungen wird kommen", sagt dagegen Hjalmar Brandt vom Lehrerverband VBE, der nachhaltig für die kleinen Schulen eintritt. Er fragt sich aber auch, wie klein Schulen werden dürfen und gleichzeitig ein angemessenes pädagogisches Angebot auf die Beine stellen können. Die Frage nach einer Ein-Klassen-Schule stellt sich für ihn nur theoretisch. Die steigende Zahl von Kombi-Klassen, in denen Jahrgänge zusammengefasst werden, sind für den VBE ein tragbarer Kompromiss zwischen Schule in Wohnortnähe und Bildungsanspruch. Mit landesweit knapp 1000 Grundschulen, davon 900 in öffentlicher Trägerschaft, ist nach Einschätzung des Lehrerverbands das "Versorgungsnetz" bereits dünn genug. Er fordert ohnehin eine sechsjährige Grundschule, um der unter anderem in der Pisa-Studie kritisierten zu frühen Schulauswahl zu begegnen. "Das wäre pädagogisch sinnvoll und würde Standorte sichern", sagt Brandt. Für den Landeselternbeirat (LEB) sind Schließung und Zusammenlegung von Schulen "Mogelpackungen", die nur Fahrtkosten und Schülertourismus mit sich bringen. Die Schulträger seien in der Pflicht und das Land im Wort, um die Schule im Dorf zu lassen, sagt Vorsitzender Dieter Dornbusch. Käme es zu Schließungen wie im Saarland, will sein Beirat auf die Barrikaden gehen.

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