"Schule muss besser werden"

MAINZ. "Große Reformzüge" müssen nach Angaben von Bildungsministerin Doris Ahnen, der neuen Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). in Bewegung gesetzt werden, um die Bildung voranzubringen. Das sagte die gebürtige Triererin im TV -Interview.

Als KMK-Vorsitzende müssen Sie für Ausgleich sorgen. Können sie auch etwas bewegen? Ahnen: Die Zuständigkeit für die Bildungs- und Kulturpolitik liegt bei den Ländern. Aber in wichtigen Fragen muss die KMK für Verständigung sorgen. Sie hat in den letzten Jahren bewiesen, dass Sie eine Menge bewegen kann: Das zeigen zum Beispiel die erste Festlegung von Bildungsstandards oder die für dieses Jahr geplante Einrichtung einer Qualitäts-Agentur, die diese Standards und ihre Umsetzung überprüfen soll. Was haben Sie sich persönlich vorgenommen? Ahnen: Mein Schwerpunkt sollen die Schnittstellen im Bildungssystem sein. Zu oft erweisen sich die Übergänge als Hindernisse. Die Zusammenarbeit zu verbessern, ist ein Ansatzpunkt. Dazu gehört das Zusammenspiel von Kindertagesstätte und Grundschule. Verbunden mit der Stärkung des Bildungsauftrags in den Kindertagesstätten ist auch eine bessere Kooperation zwischen Lehrer einerseits und Erzieherinnen anderseits nötig. Wichtig ist daneben der Übergang von der Schule in den Beruf oder der Wechsel von der Schule zur Hochschule. Schüler müssen früher Einblicke in die Hochschule und das Berufsleben haben, um sich qualifiziert entscheiden zu können. Was muss nach dem Schock der Pisa-Studie besser werden an den deutschen Schulen? Ahnen: Der zentrale Punkt nach Pisa ist aus meiner Sicht die stärkere individuelle Förderung. Es gibt international einen bewährten Dreiklang: Mehr Selbstständigkeit für die Schule bei gleichzeitig vergleichbaren Standards und der regelmäßigen Überprüfung, ob diese Standards erreicht werden. Wir dürfen nicht mehr vorrangig darauf setzen, dass wenn alle das Gleiche zur gleichen Zeit machen, das gleiche Ergebnis am Ende steht. Wir müssen klar beschriebene Ziele haben, aber Schüler und auch Schulen brauchen unterschiedliche Wege, um zu diesem Ziel zu kommen. Heißt das mehr individuelle Förderung, aber weiterhin in dem von vielen als zu stark gegliedert angesehenen Schulsystem? Ahnen: Es gibt in der KMK keine Diskussion darüber, die Struktur des Schulsystems zu verändern. Trotzdem geht es darum, insbesondere die soziale Auswahl zu verringern und die Durchlässigkeit des Schulsystems zu verbessern. Und es gibt die Diskussion, dass wir den Unterricht verändern müssen und über die Frage: Wie schaffen wir eine bessere Förderung? Bedeutet Bildungsstandards, dass jeder über ein Minimum an Wissen verfügen muss? Ahnen: Die KMK hat sich bewusst für Regelstandards entschieden, die ein mittleres Kompetenzniveau beschreiben. Grundsätzlich brauchen wir eine stärkere Orientierung an den Zielen. Lehrpläne beschreiben bisher vor allem einzelne Inhalte und den Weg, wie bestimmte Lernerfolge erreicht werden sollen. Standards heben auf das Ergebnis schulischer Bildung ab. Sie ermöglichen mehr Freiheit auf dem Weg zum Ziel. Zum anderen heben die Standards darauf ab, welche Fähigkeiten vermittelt werden sollen, nicht alleine welches Wissen. Wissen soll sinnvoll angewendet werden können. Heißt das nicht auch, dass Lehrpläne entrümpelt werden müssen? Ahnen: Ja - ich würde zwar nicht von entrümpeln sprechen - wir müssen auch weiter an die Lehrpläne ran. Wir brauchen mehr Freiheit in den Lehrplänen und bei der Arbeit mit den Lehrplänen. An den Hochschulen rumort es gewaltig. Wird dort nicht Bildung kaputtgespart? Ahnen: Priorität für Bildung, das gilt natürlich auch für die Hochschulen. Aber auch hier muss der Mitteleinsatz zusammen gesehen werden mit Strukturänderungen. Stichworte sind beispielsweise die Umstellung auf Studienabschlüsse wie Bachelor und Master und mehr Autonomie für die Hochschulen. Die Wirklichkeit sieht doch so aus, dass erst einmal gespart wird? Ahnen: In Rheinland-Pfalz ist ein Sofortprogramm von drei Millionen Euro für die Hochschulen geplant. Es wird also gesehen, dass die Hochschulen an der Belastungsgrenze sind. Alle haben schwierige Haushaltssituationen. Die Forderung kann nur lauten, der Bildung Priorität einzuräumen. Gleichzeitig geht die Diskussion um Studiengebühren weiter. Rheinland-Pfalz ist zwar gegen Gebühren, aber muss bald nicht doch je nach Land gezahlt werden? Ahnen: Gegen die Absage an Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz klagen einige CDU-Länder. Das heißt: Die Zukunft wird auch von der Entscheidung des Verfassungsgerichts abhängen. Aus meiner Sicht ist es hoch problematisch, Studiengebühren zur Lösung der Finanzmisere an den Hochschulen zu diskutieren. Das ist kein Erfolg versprechender Weg. Ich lehne Studiengebühren ab, weil wir ohnehin trotz des Anstiegs im internationalen Vergleich zu wenig Studierende haben, Gebühren abschreckend wirken können und es nach wie vor einen engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg gibt. Ist es dann klug, wenn ihre Parteifreunde im Bund Elite-Hochschulen propagieren? Ahnen: Wir haben eine gute Breitenförderung, aber auch Spitzenleistungen in den Hochschulen an einzelnen Fach- und Forschungsbereichen. Dies besser herauszustellen und damit die internationale Konkurrenzfähigkeit zu stärken, ist sinnvoll. Breitenförderung und Spitzenförderung bedingen sich gegenseitig. Also keine Elite-Universität? Ahnen: Wenn in einer Hochschule in mehreren Fachbereichen Spitzenleistungen erbracht werden, dann wird man sagen, das ist eine Spitzenhochschule oder auch den Begriff Elite-Universität nehmen können. Aber Elite-Universität wird man nicht durch das Etikett. Das Gespräch führte TV-Redakteur Joachim Winkler.

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