Schwarzlicht, Kondome und ein breites Bett

TRIER. Einen Blick hinter die Kulissen der früheren Wittlicher Disko "Chic" gab es am vierten Prozesstag gegen die ehemalige Betreiberin, ihre Mutter und einen Litauer. Ob der in der Anklage erhobene Vorwurf des "schweren Menschenhandels" aufrecht erhalten werden kann, scheint unterdessen immer fraglicher.

Männer stürmen eine Treppe hinauf, durchsuchen mehrere Zimmer im Licht von Taschenlampen, die Kamera wackelt, liefert teils unscharfe Bilder - Szenen wie diese kennt man sonst bestenfalls von Reportagen aus osteuropäischen Rotlichvierteln, gesendet spätabends im Privatfernsehen. Während Polizisten wie Straftäter dann meist mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht werden, sind die Beteiligten bei dem gestern im Trierer Landgericht vorgeführten Video klar zu erkennen. Es zeigt die Hausdurchsuchung in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 2003 in der Wittlicher Diskothek "Chic", in dessen erster Etage sechs aus Litauen stammende Prostituierte beschäftigt waren (der TV berichtete). Neben dem Zugriff werden vor Gericht auch Details der Ermittlungen der Kripobeamten erörtert. Die beginnen schon vor rund einem Jahr. Nachdem in Wittlich erste Gerüchte über die Prostitution im Chic bekannt werden, observiert die Polizei die Disko in der Schlossstraße und schickt zwischen November 2002 und Januar 2003 insgesamt drei "Vertrauenspersonen" hinein. Die berichten der Kripo, dass die jungen Frauen sich als "Rumäninnen" vorstellen und mangels Sprachkenntnissen die Freier mit Händen und Füßen zunächst zum Pikkolo-Kauf (15 Euro) und schließlich zum Sex (100 oder 150 Euro) zu überreden versuchen. Und weiter, dass die 41-jährige Angeklagte K. zweifellos die Chefin im Hause ist, während ihre mitangeklagte 22-jährige Tochter nur den Thekendienst macht - auch wenn sie offiziell die Disko führt. Die V-Männer dürfen es bei ihren Einsätzen "nur bis zur Anbahnung kommen lassen", berichtet ein Polizist, Sex sei tabu gewesen, worüber "die Vertrauenspersonen an sich sehr traurig waren". Wie der Betrieb oberhalb der Disko im Detail abläuft, sehen die Kripobeamten daher erst, als sie im Februar zur Hausdurchsuchung schreiten. Die Räume, das zeigt das Video, sind nicht eben heimelig, aber immerhin stilecht eingerichtet mit je einem breiten Bett, verhangenen Fenstern, Rot- und Schwarzlicht. Auf den Nachttischen finden sich benutzte wie unbenutze Kondome, daneben Toilettenpapier.An Prostitution kein Zweifel, an Menschenhandel schon

Außerdem beschlagnahmen die Beamten vermeintliche Kleinigkeiten wie etwa Bierdeckel und eine Strich- und Namens-Liste, die vor Gericht nun beweisen, dass in Wittlich akribisch Buch geführt wurde über das horizontale Gewerbe. Ob die jungen Frauen das ihnen zustehende Geld - vereinbarungsgemäß 40 Prozent der Einnahmen - auch tatsächlich in voller Höhe bekommen haben, bleibt offen. Laut den Aussagen der auch als Nebenklägerinnen auftretenden Prostituierten gibt es zumindest Zweifel daran. Eine der Frauen behauptet, ihr seien nach dreimonatiger Tätigkeit rund 1000 Euro vorenthalten worden. Klären lässt sich das nicht, auch weil zwei der für gestern geladenen jungen Frauen nicht vor Gericht erschienen sind. So können nur ihre Aussagen aus früheren Vernehmungen verlesen werden - an deren Wahrheitsgehalt Verteidiger Paul Greinert Zweifel hegt. Kein Zweifel besteht angesichts der Beweislage wohl daran, dass die Anklage-Vorwürfe der Prostitution und der Förderung der Prostitution berechtigt sind. Ob aber tatsächlich "schwerer Menschenhandel" vorliegt, der Greinerts Mandat vorgeworfen wird, ist noch längst nicht bewiesen. Die Anklage geht davon aus, dass der 34-jährige Litauer die jungen Frauen mit Schlägen und Drohungen gefügig gemacht und zur Prostitution gezwungen hat. Greinert dagegen geht davon aus, dass die Frauen freiwillig handelten, um Geld zu verdienen. Und tatsächlich sind die Beweise für einen "Zwang" bisher eher dünn. Für den Haupt-Angeklagten ein bedeutender Punkt, denn bei einer Verurteilung wegen Menschenhandels droht eine deutlich höhere Freiheitsstrafe als bei der Förderung der Prostitution. Der Prozess (mittwochs, 9 Uhr) ist noch bis Mitte Januar angesetzt.

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