Späte Reue eines Gauklers

TRIER. Das Trierer Amtsgericht hat einen 53 Jahre alten Geschäftsmann wegen mehrfachen Betrugs und Titelmissbrauchs zu einer viereinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Prozess hatte für Aufsehen gesorgt, weil der Angeklagte und seine Ehefrau vor zweieinhalb Jahren Opfer einer spektakulären Geiselnahme waren.

Ein letztes Mal versuchte es Berthold R. im Vorfeld des dritten Prozesstages noch mit Gaukeln. Seine drei Anwälte hatten die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten beantragt. Begründung: Der 53-jährige Angeklagte sei aus gesundheitlichen Gründen verhandlungsunfähig - Transiente globale Amnesie, eine akut einsetzende Störung aller Gedächtnisinhalte, lautete die Diagnose, von wem auch immer gestellt. Richter Helmut Reusch, der sich offenbar nicht nachsagen lassen wollte, gegen einen schwer kranken Mann zu prozessieren, hatte den Angeklagten daraufhin aus dem Untersuchungsgefängnis zum Amtsarzt fahren lassen. Dort allerdings verweigerte Berthold R. die Untersuchung, weil er den Arzt für befangen hielt. "Aus psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für Störungen", lautete schließlich das Augenschein-Untersuchungsergebnis des Doktors. Exakt diese Diagnose hätte wohl auch jeder medizinische Laie gestellt, der den Prozess gegen den 53-Jährigen verfolgt hat. Dass ausgerechnet Berthold R., der sich in der Verhandlung scheinbar an jedes noch so kleine Detail erinnern kann und damit selbst Richter Reusch Respekt abnötigt, an einer Gedächtnisstörung leiden soll - zu unglaubwürdig, um wahr zu sein."Das nächste Mal ist es ganz aus"

Damit schwammen am Dienstag auch die letzten Felle des Angeklagten davon. Pech hatte Berthold R. auch mit den Zeugen, die er teilweise selbst benannt hatte: Entweder erschienen sie nicht. Oder sie sagten gegen ihn aus. Fast alle Angaben des gelernten Bankkaufmanns platzten - konfrontiert mit den entsprechenden Zeugenaussagen - wie Seifenblasen. Je länger der Prozess dauerte, je mehr ehemalige Weggefährten Berthold R. belasteten, desto mehr dunkle Wolken zogen sich über dem Angeklagten zusammen, desto höher drohte die Strafe auszufallen. Dass mit dieser Strategie kein Blumentopf mehr zu gewinnen sein würde, merkten schließlich auch die drei Verteidiger. Die nahmen gestern - gemeinsam mit dem Schwager des Angeklagten - ihren Mandanten in Sitzungsunterbrechungen mehrfach ins Gebet, doch endlich reinen Tisch zu machen und die Betrügereien zuzugeben. Kurz nach 12 Uhr ergriff Rechtsanwalt Paul Greinert für seinen bis dato so redegewandten Mandanten das Wort: "Berthold R. räumt alle Taten ein und bereut sie. Es wird nichts mehr passieren." Das freilich hatte der Angeklagte dem Gericht schon einmal versprochen. Im Dezember 2002 wurde Berthold R. das erste Mal wegen Betrugs, Titelmissbrauchs und Urkundenfälschung verurteilt - zu einer 21-monatigen Bewährungsstrafe. "Ich mach's nie wieder", erinnerte sich gestern Richter Helmut Reusch, "haben Sie mir damals zugesagt." Weil sich der "Gaukler und Hochstapler" (Reusch) an seine Zusage nicht hielt, sondern andere Leute munter weiter betrog und bei seinen windigen Geschäften ab und an auch selbst übers Ohr gehauen wurde, bekam er gestern die Quittung: Vier Jahre und sieben Monate muss Berthold R. ins Gefängnis. Etwas weniger hatten seine Anwälte gefordert, ein bisschen mehr Staatsanwalt Eric Samel. Ein bis anderthalb Jahre "Zuschlag" hätte es ohne die späte Reue laut Reusch wohl gegeben. Und eine Ermahnung gab der Richter Berthold R. auch noch mit auf den Rückweg ins Gefängnis: "Das nächste Mal ist es ganz aus." Das Urteil ist rechtskräftig.

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