Stau durch Altbewerber

MAINZ. Während die Lage auf dem Arbeitsmarkt insgesamt positiv ist, bleibt ein Wermutstropen: Am Lehrstellenmarkt wird die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot größer. Dank zusätzlicher Qualifizierungspraktika hofft Ministerpräsident Kurt Beck, dass zum Jahresende doch noch fast jeder Jugendliche mit einer Ausbildungsperspektive versorgt werden kann.

Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammer melden für Rheinland-Pfalz zwar steigende Lehrstellenzahlen, dennoch registriert die Arbeitsagentur mit Stichtag 25. September insgesamt einen Rückgang der Ausbildungsplätze um 4,8 Prozent. Während die Zahl der Bewerber gegenüber dem Vorjahr um rund 3000 auf 37 670 angestiegen ist, sanken die Lehrstellen auf 22 670 (minus 1130). Nach der Sitzung des "ovalen Tisches" zum Thema Ausbildung gaben sich Regierungschef Kurt Beck und Vertreter der Kammern optimistisch, dass bis Jahresende durch Nachvermittlung noch möglichst allen Bewerbern eine Ausbildungs- oder Qualifizierungsperspektive aufgezeigt werden kann. Nach offiziellen Zahlen stehen derzeit noch 3500 Bewerber unversorgt da, während 1390 Lehrstellen unbesetzt blieben. Für eine steigende Zahl von Jugendlichen heißt dies allerdings weiterhin, Warteschleifen in Fachschulen, berufsvorbereitenden Maßnahmen oder einem mehrmonatigem Praktikum zur "Einstiegsqualifizierung" (EQJ) zu absolvieren. Gab es 2005 unter den fast 35 000 Lehrstellensuchenden knapp 15 000 Altbewerber aus den Vorjahren, stieg die Zahl in diesem Jahr auf 18 400 erheblich an. Jeder Zweite davon wartet sogar bereits mehr als ein Jahr auf einen Ausbildungsplatz. Die Zahl der Nachfrager, die direkt aus den Schulabschlussklassen kommen, sank dagegen um 800 auf 19 000. Von den 5385 Lehrstellenbewerbern im Agenturbezirk Trier sind ebenfalls mehr als 2300 bereits ein Jahr und länger auf Suche. Während von neuen Bewerbern rund 95 Prozent einen Ausbildungsplatz finden, werden nach den Worten von Otto-Werner Schade, Chef der Arbeitsagentur Rheinland-Pfalz, die Altbewerber "zum eigentlichen sozialen Problem". Im vergangenen Jahr unterstützte die Arbeitsagentur 17 000 Förderfälle mit Qualifizierungsmaßnahmen, um den Jugendlichen bessere Ausbildungsplatzchancen zu vermitteln. Auch in diesem Jahr geht Schade von einer ähnlichen Größenordnung aus. Die Zahl der 2400 Plätze für EQJ-Praktika wird noch einmal um 370 aufgestockt. Auch über die Arbeitsmarktinitiative des Landes sollen erneut mehrere tausend Jugendliche ihren Hauptschulabschluss nachholen oder fit für einen Ausbildungs-Job gemacht werden. Nach Einschätzung von Wolfgang Natus, Präsident der IHK Trier, spiegeln die Zahlen der Arbeitsagentur nur einen Teil der Realität wieder, weil nach seinen Angaben lediglich 60 Prozent aller Lehrstellenangebote erfasst werden. Landesweit sind laut Natus die Ausbildungsverträge der IHK um 8,1 Prozent gestiegen, in Trier demnach sogar um 8,7 Prozent auf 1486. Bei den Handwerkskammern stiegen die Lehrstellen im Land um 4,3 Prozent (Trier: 7,7 Prozent). Für Natus hängen die Probleme auf dem Lehrstellenmarkt jedoch merklich mit mangelnder Ausbildungsreife zusammen. Wunsch und Wirklichkeit klafften bei Jugendlichen zu oft auseinander. Die Gewerkschaften sehen den Ausbildungspakt als gescheitert an.

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