Steuer mobilisiert Mainzer

MAINZ. Die Landeshauptstadt verzeichnet einen ungewöhnlichen Bevölkerungsanstieg: 4400 "Neu-Mainzer" innerhalb weniger Wochen. Hintergrund des rasanten Zuwachses ist kein Baby-Boom, sondern die Flucht vor der Zweitwohnsitzabgabe. Die wird für jeden fällig, der in der Gutenbergstadt wohnt, ohne dort seinen ersten Wohnsitz zu haben.

Der Ministerpräsident und Steinfelder Bürger Kurt Beck zahlt und auch die Trierer Sozialministerin Malu Dreyer muss den Geldbeutel öffnen - beide haben nämlich einen zweiten Wohnsitz in Mainz. Und den gibt es seit 1. Juni nicht mehr kostenlos. Zehn Prozent der Netto-Kaltmiete müssen auf Beschluss des Stadtrates gezahlt werden, wenn jemand in der rheinland-pfälzischen Metropole wohnt, dort aber nicht mit erstem Wohnsitz gemeldet ist. Dabei können schon mal mehrere hundert Euro jährlich zusammen kommen. Um der Zweitwohnungsabgabe zu entgehen, haben sich in den vergangenen Wochen 4400 Einwohner offiziell einbürgern lassen. Dieser Ausweich-Effekt ist durchaus erwünscht, denn Oberbürgermeister Jens Beutel und den Stadtvätern geht es vor allem darum, die Einwohnerzahl von derzeit rund 185 000 zu steigern und damit höhere Schlüsselzuweisungen vom Land zu kassieren. Im Blick sind dabei nicht zuletzt die fast 40 000 Studenten an Mainzer Hochschulen. Gutschein-Pakete für Neubürger wirkten für freiwillige Erst-Anmeldungen nur begrenzt. "Wir bieten Infrastruktur und Leistung, doch Zuweisungen und Steuern werden im Falle eines Zweitwohnsitzes an andere gezahlt", sagt Stadt-Sprecher Markus Biagioni. Am 30. Juni ist Stichtag für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen. Rund 420 Euro werden dann pro "Neu-Mainzer" im nächsten Jahr zusätzlich aus dem allgemeinen Steuertopf fällig. Bei den erhofften mindestens 5000 Ummeldungen kämen 2,1 Millionen Euro in die chronisch klamme Stadtkasse. Gleichzeitig rechnet der Kämmerer mit bis zu einer Million Euro an Zweitwohnungsabgabe. Dazu können noch weitere an die Einwohnerzahl gebundene Steueranteile kommen. Rund 18 500 Personen mit Zweitwohnsitz hatte die Stadt in den vergangenen Monaten angeschrieben, doch fast jeder zweite Brief kam ohne Reaktion zurück. Vor allem Studenten seien wohl weggezogen, ohne sich abzumelden, mutmaßt Biagioni über die "Kartei-Leichen". Über eine Zweitwohnsitzsteuer denkt momentan auch die Uni-Stadt Trier nach. Studenten hätten davon keine Nachteile, versicherte jüngst Oberbürgermeister Helmut Schröer Vertretern des Asta. Wie sein Mainzer Kollege setzt Schröer bei fast 20 000 Studenten am Ende ebenfalls auf steigende Einwohnerzahlen und mehr Einnahmen durch höhere Finanzzuweisungen für die Moselmetropole. Die hält sich momentan nur sehr knapp über der 100 000-Einwohner-Grenze.

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