Stille in den Stöcken

TRIER. Schreckensmeldungen dringen derzeit aus Wiesen und Wäldern: In einigen Gegenden Deutschlands sind in den vergangenen Monaten bis zu 80 Prozent der Honigbienen eingegangen. Experten sprechen vom größten Bienen-Sterben aller Zeiten. Die Imker in der Region Trier blieben bisher weitgehend verschont. Doch auch sie sind in Alarmstimmung.

Sie misst nur 1,2 Millimeter, doch der Schaden, den sie anrichtet, ist enorm: Die Varroa-Milbe befällt Honigbienen und kann innerhalb kurzer Zeit zum Absterben ganzer Völker führen. In vielen Gegenden Deutschlands stehen derzeit Stöcke leer. Der Leiter des Instituts für Bienenkunde in Münster, Werner Mühlen, rechnet bundesweit mit einem Verlust von durchschnittlich 30 Prozent. Die meisten Imker in der Region Trier melden niedrigere Verluste. Die Zahlen in seinem Bereich lägen nicht wesentlich über denen anderer Jahre, sagt Robert Weber vom Trierer Bienenzuchtverein. Auch Hermann-Josef Valerius vom Imkerverband im Kreis Bernkastel-Wittlich berichtet: "Bei uns ist alles noch relativ normal. Wir hatten bisher Glück." Anders offenbar einige Imker in der Eifel: "Bei uns liegen die Verluste deutlich über dem Normalen", sagt Jakob Bohr vom Imkerverband Bitburg. "Mehrere Völker sind total abgestorben."Bisher "mit blauem Auge" davongekommen

Verglichen mit anderen Regionen sei man bisher zwar "mit einem blauen Auge davongekommen", meint Bohr. Die Situation sei jedoch "Besorgnis erregend". Auch Valerius berichtet, die Nachrichten von dem verheerenden Bienensterben hätten "erhöhten Alarm" ausgelöst. Will heißen: Die Imker suchen in ihren Beständen verstärkt nach Milben und leiten frühzeitig Gegenmaßnahmen ein. Was Bienenzüchter besonders beunruhigt, ist, dass die Völker derzeit bei einem niedrigeren Varroa-Befall zu Grunde gehen als noch vor einigen Jahren: "Die Schadschwelle ist deutlich gesunken", sagt Weber. Durch Pflanzenschutzmittel vor allem im Raps seien die Bienen anfälliger geworden, vermuten einige Imker, und die Milben hätten Resistenzen gegen bestimmte Medikamente entwickelt. Hinzu kommt, dass die Milbe verschiedene Viren überträgt, für die Varroa-geschwächte Völker besonders anfällig sind. Welche Folgen hat das Bienensterben? Jakob Bohr warnt vor Folgerungen nach dem Motto: kranke Bienen - kranker Honig. "Die Qualität des Honigs hat mit dem Befall nichts zu tun." Doch mit der Zahl der Bienen sinkt natürlich die Menge des Honigs. Weber vermutet deshalb: "Der Honigpreis wird sich wohl erhöhen."Hummeln allein taugen nicht als Ersatz

Das dürfte nicht die einzige Konsequenz des Bienensterbens bleiben, denn die Insekten haben eine weitere wichtige Funktion: Sie bestäuben Pflanzen. Zwar geht Werner Ollig, Obstbauberater der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Neustadt an der Weinstraße, davon aus, dass Hummeln, Wild- und Erdbienen die Befruchtung gewährleisten können. Doch die Imker aus Trier und Umgebung widersprechen energisch: "Es gibt viel, viel weniger Hummeln als Bienen", sagt Weber. "Die können das nicht auffangen." Und Bohr berichtet, nicht umsonst zahlten manche Obstbauern Imkern Geld dafür, dass diese ihre Völker in der Nähe der Bäume platzierten. "Obstbäume werden zu 80 Prozent von Bienen bestäubt." Mit diesen Auswirkungen nicht genug: Imker sehen am Horizont eine noch größere Gefahr aufziehen als die vor rund 25 Jahren nach Deutschland eingeschleppte Varroa-Milbe: den kleinen Beutekäfer. Dieser äußerst aggressive Schädling zerstört derzeit Bienenvölker und Honigvorräte etwa in den USA und Australien. Werden demnächst Bienen importiert, um das Massensterben hierzulande aufzufangen, könnte der Käfer eingeschleppt werden, fürchten Experten. Der Imkerbund versucht derzeit, bei der Europäischen Union ein Importverbot zu erreichen. "Der kleine Beutekäfer ist noch viel gefährlicher als die Milben", sagt Valerius. Wenn der kommt, können wir uns beglückwünschen."

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