Struktur-Debatte ohne Tabus

TRIER/PRÜM. Vor dem Hintergrund rückläufiger Kirchensteuereinnahmen musste der evangelische Kirchenkreis Trier seinen Haushalt 2005 mit Rücklagen ausgleichen. Bei der Synode am Samstag in Prüm wurde zudem eine Strukturdiskussion in Gang gesetzt, die weder vor Pfarrstellen noch vor Gemeindegrenzen halt machen soll.

"Wir lassen uns Zeit. Menschen, die wir dafür gewinnen müssen, sollen auch bereit sein, damit leben zu können." Christoph Pistorius, Superintendent des Kirchenkreises Trier, hat die Vertreter der insgesamt rund 55 000 evangelischen Christen im alten Regierungsbezirk Trier bei der Herbst-Synode am Samstag in Prüm auf eine Strukturdiskussion eingestimmt, die bis zum Frühjahr 2006 ebenso offen wie tabulos geführt werden soll. Weder Gemeindegrenzen noch Pfarrstellen seien in dem Reformprozess auszulassen, betonte Pistorius am Rande der Tagung im früheren Bischöflichen Konvikt. Gleichwohl betonte der Theologe, dass die Kirche auch bei weniger Pfarrstellen jederzeit ansprechbar sein müsse. Pistorius verwies zudem auf die Tatsache, dass die evangelische Kirche im Rheinland bis zum Jahr 2030 mit einem Mitgliederrückgang von rund 30 Prozent rechne. "Da kann ich mir nicht vorstellen, dass alles so bleibt, wie es ist", prognostizierte der Superintendent. Der Haushalt des Kirchenkreises Trier weist für das Jahr 2005 ein Gesamtvolumen von rund acht Millionen Euro aus. Um den Etat auszugleichen, wurden 130 000 Euro aus Rücklagen eingestellt. Christoph Pistorius rechnet damit, den Haushalt 2006 mit 200 000 Euro aus Rücklagen unterstützen zu müssen, "eventuell sogar mehr". Hintergrund sei neben dem rückläufigen Steueraufkommen die derzeitige Diskussion über die Versorgung der Pfarrerinnen und Pfarrer. Unzufrieden zeigte sich Pistorius am Samstag derweil mit der Ökumene. Hinsichtlich des gemeinsamen Abendmahls regte der Kirchenmann die intensive Nutzung von Gesprächszirkeln an. "Dieses Thema brennt den Leuten unter den Nägeln", sagte Pistorius. Es könne zwar nicht sein, dass am Ende alle gleich seien - doch die Kirchen müssten nach dem Motto "Versöhnte Vielfalt" in die Lage versetzt werden können, ein einheitliches Zeugnis für Christus abzugeben. Pistorius: "Wir haben den Gesprächsrahmen bisher noch nicht richtig genutzt."Mehr Mut zeigen und aktiv werden

In seinem Jahresbericht forderte Superintendent Pistorius die Menschen auf, in Zeiten tief greifender Reformprozesse und gesellschaftlicher Veränderungen mehr Mut zu zeigen und sich aktiv an der politischen Diskussion zu beteiligen. "Vielen ist inzwischen die Freude an der Wiedervereinigung abhanden gekommen", stellte der Redner fest. Zudem lösten die EU-Osterweiterung und die Frage des Beitritts der Türkei existenzielle Ängste aus. "Wir dürfen in unserer Gesellschaft die Ängste nicht weiter tabuisieren", warnte Pistorius, denn dadurch überlasse man sie den "problematischen Figuren an den Rändern der Demokratie." Pistorius: "Wenn in Trier an vier Wochenenden hintereinander Demonstrationen von Rechtsextremen stattfinden, dann wird deutlich, dass politische Tabubrüche kein Phänomen frustrierter Experimentalwähler in den neuen Bundesländern sind, sondern ihren Nährboden haben in einer politischen Kultur, die bestimmte Fragestellungen meint, schon beantwortet zu haben, indem sie sie konsequent ignoriert."

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