Tafelsilber rettet den Landeshaushalt

MAINZ. Nur mit dem Verkauf von "Tafelsilber" im Wert von 1,2 Milliarden Euro kann Finanzminister Gernot Mittler den Doppelhaushalt 2005/2006 stemmen. Gleichzeitig sollen dennoch jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro neue Schulden gemacht werden.

Ein weiterer massiver Rückgang von Steuereinnahmen von rund 256 Millionen Euro und zusätzliche Investitionen in Bildung, Wissenschaft und innere Sicherheit zwingen Mittler zum haushaltspolitischen Spagat, wenn er heute den Etatentwurf für die Jahre 2005 und 2006 dem Landtag vorlegt. Der Haushaltslage sei "schwierig, aber verfassungsgemäß", wie der Minister betont. Um die Neuverschuldung geringer zu halten als die Investitionen, wie von der Verfassung vorgegeben, müssen Mittler und sein findungsreicher Staatssekretär Ingolf Deubel jedoch umfangreich Landesvermögen "aktivieren". Konkret heißt dies, dass Rückforderungsrechte an Wohnungsbaudarlehen, die Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahrzehnten privaten Bauherren gewährt hat, verkauft oder gewinnbringend angelegt werden. So sollen 2005 rund 645 Millionen Euro und 2005 noch einmal 555 Millionen Euro in die Kasse gespült werden. Bereits in den Jahren 2003 und 2004 wurde auf diese Weise insgesamt der Anspruch auf Rückzahlungen in Höhe von 450 Millionen Euro "versilbert". Damit halbieren sich allerdings bis Ende 2006 die Geldforderungen des Landes, die sich Ende 2002 noch auf 3,4 Milliarden Euro beliefen. Trotz des Griffs in die Schatzkiste müssen 2005 rund 1,2 Milliarden und 2006 noch einmal mehr als eine Milliarde Euro an neuen Krediten aufgenommen werden, um den Haushalt auszugleichen. Der Etat bleibt dabei nur um 54 Millionen (2005) und 67 Millionen Euro (2006) unter der Verfassungsgrenze für die Verschuldung. Ministerpräsident Kurt Beck sieht Vermögensverkauf, Kreditaufnahme und Investitionen gleichwohl in einem akzeptablen Verhältnis, soll eine sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung nicht gefährdet werden. Für 2005 fällt die Ausgabensteigerung mit 0,3 Prozent gering aus, was jedoch in erster Line auf die Ausgliederung der Universität Mainz aus dem Landeshaushalt zurück zu führen ist. Die Hochschule erhält mit der Finanzautonomie künftig einen Globalhaushalt von jährlich rund 200 Millionen Euro. Von dem auf fünf Jahre angelegten Sonderprogramm für die Hochschulen werden in den beiden kommenden Jahren jeweils 30 und 20 Millionen Euro fließen. Um bis 2006 die Ganztagsschulen weiter auszubauen, sind 53 Millionen Euro für 2005 und 60 Millionen Euro für 2006 eingestellt. Durch die zusätzlichen Gelder des Bundes verdoppeln sich fast diese Mittel auf 103 und 110 Millionen Euro. Mit einem Darlehnsprogramm versucht das Land zudem, die kommunalen Steuerausfälle zu begrenzen. Die Folge davon ist, dass Städte und Gemeinden Ende 2006 beim Land mit 600 Millionen Euro in der Kreide stehen. Heftige Kritik werden Beck und Mittler für ihre Ausgabenpolitik am Donnerstag von CDU und Grünen im Plenum ernten. CDU-Chef Christoph Böhr warf der Koalition vor, das Land "schnurstracks in die Pleite zu führen". In den beiden nächsten Jahren müssten jeweils rund 1,2 Milliarden Euro Zinsen gezahlt werden. Entgegen allen Versprechungen fahre die Koalition mit vollem Tempo in die Schuldenfalle, so Grünen-Fraktionsvorsitzende Ise Thomas.

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