Teure Vatergefühle

TRIER. Vor dem Amtsgericht Trier gab es den ersten "Nachschlag-Prozess" zu dem spektakulären Verfahren um einen Pferdezüchter aus der Nähe von Wittlich, der im Dezember 2005 wegen Misshandlung seiner Lebensgefährtin zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Auf der Anklagebank diesmal: Der Vater des Angeklagten und ein Privatdetektiv. Der Vorwurf: uneidliche Falschaussage.

Das hätte sich Hubert T. wahrscheinlich nie träumen lassen: Da sitzt der 77-jährige Unternehmer von der Mosel auf der Sünder-Bank in einem Strafprozess, neben ihm ein Gewohnheits-Straftäter mit einem zwölfseitigen Vorstrafenregister, ihm gegenüber ein Staatsanwalt, der von ihm nur als "der Angeklagte" redet. "Ich bin ein Mensch, der noch nie vor Gericht war", sagt er ein übers andere Mal. "Aber es ist mein einziger Sohn, da musste ich doch was machen." Das "was machen" ist laut Anklageschrift die Anstiftung zu einer uneidlichen Falschaussage und damit eine Straftat. Der "einzige Sohn" ist Frank T., den das Trierer Landgericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt hat, weil er seine trennungswillige Lebensgefährtin bedroht, misshandelt, gewürgt und mit dem Auto von der Straße gedrängt hat.Gekaufte Zeugen

Einen Prozess wie damals hat die Trierer Justiz selten erlebt. Insgesamt fünf Verteidiger bot der Angeklagte auf, dazu Privatdetektive, die hinter Zeugen herschnüffelten - und schließlich einen gekauften Zeugen. Helmut P., ein "schwerer Junge" aus Köln, sollte Frank T. entlasten. Am 21. Juni 2005 trat er auf wie Graf Koks, provozierte das Gericht nach allen Regeln der Kunst - und lief direkt ins aufgestellte Messer. Denn Staatsanwaltschaft und Gericht konnten durch Überwachungskameras und abgehörte Telefonate beweisen, dass Vater Hubert T. 5000 Euro bezahlt hatte, um die entlastende Falschaussage zu erkaufen. Helmut P. landete vom Gerichtssaal gleich in der Zelle, und dann machte er noch am gleichen Tag reinen Tisch. Er räumte ein, den Deal selbst eingefädelt zu haben, bestätigte die Zahlung von Hubert T. und sagte gleich in einem Aufwasch aus, auch mit Frank T.'s Anwalt Paul Greinert die Falsch-Aussage abgesprochen zu haben. Gegen Greinert, der die Vorwürfe kategorisch bestreitet, wird bald vor dem Landgericht verhandelt. Das Verfahren gegen die anderen Beteiligten hat man abgetrennt und an das Amtsgericht verwiesen, eine durchaus kluge Entscheidung angesichts der unterschiedlichen Bedeutung der Vorwürfe. 300 000 Euro Prozesskosten

So muss nun Einzelrichter Wolf-Dietrich Strick über das Schicksal von Hubert T. und Helmut P. entscheiden. Er achtet peinlich darauf, die Causa Greinert aus der Sache rauszuhalten. Dabei hilft ihm das Geständnis, zu dem er den anfangs widerstrebenden Hubert T. sanft hinführt. Ja, er sei auf P.'s Vorschlag eingegangen, habe für die Falschaussage gezahlt, sagt der alte Herr schließlich. "Ein Vater kann doch nicht einfach zusehen, wenn sein Fleisch und Blut ins Gefängnis kommt." 300 000 Euro habe ihn der Prozess gegen seinen Sohn samt Star-Anwälten und Privatdetektiven gekostet. Und nun auch noch die eigene weiße Weste. Selbst Staatsanwalt Sebastian Jakobs versagt ihm nicht die Anerkennung für die "bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbare Konfliktsituation", weist aber auch darauf hin, dass es "ziemlich dreist" gewesen sein, "das Gericht auf diese Weise hinters Licht führen zu wollen". Am Ende steht für Hubert T. eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro, deutlich weniger als die 150 Tagessätze, die die Anklage beantragt hat. Für den geständigen Helmut P. verhängt Richter Strick ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe. Aber er setzt sie trotz dessen Vorstrafenregister zur Bewährung aus, wie von Verteidiger Otmar Schaffarczyk beantragt. Akzeptiert die Staatsanwaltschaft den Spruch, ist das Urteil rechtsgültig und Helmut P. stünde als aussageverpflichteter Zeuge für den anstehenden Greinert-Prozess zur Verfügung. Vielleicht ist das eine Entscheidungshilfe für die Anklagebehörde.

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