"Treppe runter und weggelaufen"

TRIER. Vor dem Landgericht hat der Prozess gegen zwei 51 und 29 Jahre alte Männer aus Trier begonnen. Sie sollen eine geistig behinderte Frau sexuell missbraucht haben.

Den Abend des 31. Juli vergangenen Jahres wird die unter dem so genannten Down-Syndrom leidende Anja (Name geändert) wohl nie in ihrem Leben vergessen. Wie jeden Donnerstag war die 26-Jährige mit dem Stadtbus ins Moselstadion gefahren. Um 18 Uhr beginnt ihr Training, zwei Stunden später fährt Anja mit dem Bus wieder nach Hause. Doch an diesem Abend warten die Eltern vergeblich auf ihre geistig behinderte Tochter, die sich im Laufe der Jahre ein kleines Stückchen Selbstständigkeit mühsam erarbeitet hat. "Anja ist so stolz darauf, wenn sie etwas alleine gemacht hat", sagt ihre 66-jährige Mutter vor der Ersten Großen Strafkammer. "Diese Erfolgserlebnisse muss man ihr lassen, auch wenn wir die Autonomie mit fürchterlichen Ängsten bezahlen." An diesem Juli-Abend machen sich die Eltern zu Recht Gedanken, als Anja nicht wie gewohnt spätestens mit dem 21.30-Uhr-Bus nach Hause kommt. Die Mutter fährt die Bus-Route mit dem Auto ab, doch von ihrer Tochter keine Spur. Schließlich geht sie zur Polizei, erstattet Vermisstenanzeige. Kurz nach halb zwölf - endlich die erlösende Nachricht. Ein Busfahrer meldet sich, er hat Anja im Wagen. Wieder zu Hause weint und zittert die "furchtbar aufgeregte" (ihre Mutter) junge Frau. Die Eltern merken, dass etwas passiert sein muss, aber sie bedrängen ihre Tochter nicht. Anja isst etwas, dann bringt ihre Mutter sie zum Duschen. "Da habe ich dann gesehen, dass sie im Genitalbereich rasiert war", berichtet die 66-Jährige vor Gericht. Anja fängt an diesem späten Juli-Abend schließlich an zu erzählen: "T-Shirt ausgezogen", "Haus ganz oben", "großes Bett", "der Bartmann hat mich rasiert", "aber Anja will alleine bei Mama schlafen", "schnell angezogen", "Treppe runter und weggelaufen." Aus dem Wörter-Puzzle können die Eltern zunächst nur erahnen, was "das Kind" (ihre Mutter) wenige Stunden zuvor erlebt haben muss. Noch in der Nacht alarmieren sie die Polizei. Die beiden Männer, die die geistig behinderte Frau an diesem Abend missbraucht haben sollen, sind - dank kriminalistischer Feinarbeit - nach sechs Wochen gefunden. 51 Jahre alt ist der Ältere, 29 der Jüngere. Ihre Vita - gleichermaßen verkorkst. Beide "nix gelernt", vorbestraft, durchgeschlagen mit Gelegenheitsjobs, Hauptnahrungsmittel: Bier. Ein bis zwei Halbliter-Dosen gab's schon zum Frühstück, den Rest später hinter deiner Tankstelle am Moselufer und in einer Kneipe beim Stadion. Als sie die Gaststätte an jenem Donnerstagabend verlassen, steht Anja auf der anderen Straßenseite. Edgar, der Ältere, geht zur ihr, legt den Arm um sie und fragt: "Willst Du noch mit uns feiern?" Die geistig behinderte Frau geht mit zu Edgar, der bei seiner Mutter wohnt, seit die Freundin ihn rausgeschmissen hat. "Anja hat ja keine Vorstellung von irgend etwas Bösem", sagt ihre Mutter, "sie ist kontaktfreudig und sehr offen." Was mit Anja in Edgars Zimmer geschah, ist nach dem ersten Prozesstag noch unklar. Glaubt man den beiden in U-Haft sitzenden Männern, hat Hans, der Jüngere, geschlafen, während Edgar in der Küche herum wurschtelte. Zwei selbst ernannte Unschuldslämmer auf der Anklagebank. Der Prozess wird am übernächsten Montag fortgesetzt.

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