Trotz Geständnis viele offene Fragen

TRIER. Täter, die nach einem Tötungsdelikt ihr Opfer zerstückeln, gelten in der Öffentlichkeit schnell als Monster. Doch rein strafrechtlich gesehen steht allein das eigentliche Delikt im Mittelpunkt. Was der Täter mit der Leiche macht, spielt juristisch nur eine Nebenrolle.

Als sich im Februar dieses Jahres in Trier herumsprach, dass ein 39-jähriger Malergeselle die Tötung seiner Nachbarin gestanden hatte, mischten sich im umfangreichen Bekanntenkreis des mutmaßlichen Täters Entsetzen und Fassungslosigkeit. Das Entsetzen galt der Tat, die Fassungslosigkeit der Person, die sie offenkundig begangen hatte. Einhelliger Kommentar: "Dem hätte man so was nie zugetraut." Und mit "so was" waren vor allem die grauenhafte Vorgänge nach der eigentlichen Tötungshandlung gemeint.Vorgehen oft "Zeichen völliger Ratlosigkeit"

Im Bad seiner Wohnung soll der Angeklagte, so das Ermittlungsergebnis, dem Opfer Kopf, Hände und Beine mit einer Metallsäge abgetrennt haben. Kein Einzelfall in der Kriminalgeschichte. Solch unbegreifliches Verhalten sei oft "eine Folge völliger Ratlosigkeit" und zeuge "als solches nicht notwendig von einer besonderen kriminellen Energie", sagt der Trierer Kriminologie-Professor Hans-Heiner Kühne. Deshalb werde es von den Gerichten bei der Bewertung einer Straftat "weitgehend als unbedeutend" eingestuft. Auch der Chef der Trierer Mordkommission, Bernd Michels, weiß aus Erfahrung, dass der Umgang mit der Leiche juristisch anders bewertet wird als im öffentlichen Bewusstsein. Vorgänge wie der nun zur Verhandlung anstehende gingen den Menschen "emotional sehr nahe", würden aber jenseits des Hauptdelikts "in der Regel als straflose Nachtat eingestuft". Das wäre anders, käme das Gericht zu der Auffassung, die Sektion des Opfers sei von vornherein "eiskalt" mit eingeplant gewesen, um mögliche Spuren und Identifikationsmerkmale zu beseitigen. Früher, glaubt Hauptkommissar Michels, wäre ein solches Motiv häufiger zu finden gewesen. Aber "im Zeitalter der DNA-Analyse" könne "kein Täter mehr davon ausgehen, auf diese Weise durchzukommen". Auch Kriminologe Kühne sieht "allenfalls in Mafia-Fällen" die kühlen Planer am Werk. Meist sei es "die Dynamik des Vorgangs", die zu dem blutigen Nachspiel führe. Zudem sei die Leichenschändung bei einem Mord für die Strafzumessung ohnehin irrelevant, "weil es mit Lebenslang schon die absolute Strafe gibt". Schließt sich in Trier das Schwurgericht nach Abschluss der Beweisaufnahme und Anhörung der Plädoyers dem Mord-Vorwurf der Anklageschrift an, droht dem Angeklagten eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. In Deutschland wird bei Lebenslänglichen in der Regel nach 15 Jahren überprüft, ob eine Begnadigung möglich ist. Käme das Gericht zu der Auffassung, die Tat wiege gegenüber "normalen" Mordfällen deutlich schwerer, könnte es zusätzlich die "besondere Schwere der Schuld" feststellen. Dann würde eine Begnadigung deutlich länger auf sich warten lassen. Angesichts der hohen Kriterien für die Strafverschärfung - sie wurde zuletzt bei den sadistischen Mördern der Kinder Tom und Sonja verhängt - dürfte sie in diesem Fall kaum zum Tragen kommen.Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag wird geprüft

Im Rahmen der bisher bekannten Tatvorwürfe ist auch zu erwarten, dass das Gericht die Abgrenzung zum weniger hart bestraften Totschlag überprüft. Dieses Verbrechen umfasst Tötungsdelikte, auf die keines der besonderen Mordmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe zutrifft. Denkbar ist aber auch, dass im Zuge des Verfahrens neue Fakten auf den Tisch kommen, die die Bewertung beeinflussen können. Auch die Einschätzung der Schuld- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten kann eine erhebliche Rolle spielen. Kein Wunder, dass die Kammer fünf Verhandlungstage angesetzt hat. Auch ein vorliegendes Geständnis klärt noch längst nicht alle Fragen.

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