Über Umwege zum Wunschberuf

MAINZ. Von der Musikerzieherin zur Musiklehrerin, von der Zoo-Pädagogin zur Lehrerin für Biologie: Seiteneinsteiger finden einen anderen Weg in die Schule. Das Bildungsministerium will damit dem Lehrermangel begegnen.

Eigentlich wäre Jochen Bittersohl gern Lehrer geworden. Doch die Berater beim Arbeitsamt rieten dem jungen Mann bei der Suche nach der richtigen Ausbildung vom Lehramt ab. Keine gute Perspektiven, hieß es. Dass der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik nun doch noch in seinen Wunschberuf gerutscht ist, verdankt er dem Seiteneinsteiger-Programm des Mainzer Bildungsministeriums. Das sucht für einige Fächer händeringend nach Lehrern. Nach einigen Jahren als Systementwickler und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität unterrichtet Bittersohl nun an der Berufsschule Bingen die Fächer Elektrotechnik und Informatik. Sehr positiv sehen die Schüler den Praktiker, der ihnen auch konkrete Einblicke in die Berufswelt vermitteln kann, so seine Erfahrung. Wie Bittersohl haben auch viele andere Seiteneinsteiger den Wechsel in den Schuldienst nicht bereut. Anja Wiens ist sehr zufrieden mit ihrem Lehrerinnen-Job an der Realschule Saarburg. Die Musikerzieherin mit Diplom der Musikhochschule Saarbrücken liebt die Arbeit mit Kindern und war lange Jahre bei der Musikschule Wittlich beschäftigt, bevor sie durch Zufall 2001 von der neuen Umsteige-Möglichkeit erfuhr. Doch der Umweg ist kein leichter Weg, wie Wiens weiß: 21 Stunden in der Schule und dazu noch die normale pädagogische Referendar-Ausbildung. Man müsse sehr leistungsbereit und motiviert sein, um die anstrengende Ausbildung zu absolvieren, sagt sie. Zufriedener Pädagogen-Nachwuchs

Dennoch haben von 34 Teilnehmern des ersten Seiteneinsteiger-Kurses, der im August 2001 startete, nur vier abgebrochen, wie Bildungsministerin Doris Ahnen berichtet. Ein gutes Programm und zufriedener Lehrer-Nachwuchs, wie sie daraus folgert. Die 15 ersten haben gerade ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Mittlerweile 111 Hochschulabsolventen ohne Lehramtsstudium haben sich entschieden, für so genannte Bedarfsfächer in den Schuldienst zu wechseln. Fächer mit Mangel an Pädagogen sind vor allem Musik, Physik, Chemie und mit Abstrichen auch Kunst und Englisch. An den Berufsschulen fehlen vor allem Lehrer für Metalltechnik, Informatik und Elektrotechnik. Die Seiteneinsteiger werden zunächst für zwei oder drei Jahre im Angestelltenverhältnis eingestellt und zu einem Viertel vom Unterricht befreit, um eine begleitende pädagogische Ausbildung zu absolvieren. Nicht alle können dabei auf einschlägige Erfahrungen wie Sabine Jämmerich zurückgreifen, die als Biologin in einem Zoo die Aufgabe der Zoo-Pädagogin übernahm und Schulklassen führte, bevor sie als Lehrerin Biologie und Mathematik unterrichtete. Mit Seiteneinsteigern wird laut Ahnen nicht nur der Bedarf in bestimmten Fächern gedeckt. Berufliche Erfahrung und neue Sichtweisen seien auch ein Gewinn für die Schulen, meint die Ministerin.

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