"Umweltschutz wird zur Privatsache"

TRIER/KOBLENZ. Frust bei Umweltschützern im Land: Weil ihre Meinung immer weniger gefragt sei, traten sechs Mitglieder des Beirats für Landespflege bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD) in Koblenz zurück.

"Ein Alibi-Gremium. Wir sollten nur noch absegnen", regt sich Ulrich Bielefeld auf. Der Trierer Landschaftsarchitekt ist seit 1981 im Beirat für Landespflege, der zunächst bei der Bezirksregierung Trier angesiedelt war und seit knapp vier Jahren bei der neuen (SGD Nord in Koblenz. Mit der Umstrukturierung der ehemaligen Bezirksregierungen hat sich das Zuständigkeitsgebiet des ehrenamtlichen Gremiums vergrößert (es umfasst die ehemaligen Bezirke Trier und Koblenz), nicht jedoch die Kopfzahl. Weiterhin sind zwölf Mitglieder für die Beratung der Landespflegebehörde in Sachen Umwelt- und Naturschutz zuständig. Früher sei der Beirat ein "sehr gut funktionierendes" Gremium gewesen, erklärt Bielefeld. Heute lege man kaum noch Wert auf seine Meinung, gebe ihm nur noch bruchstückhafte Informationen über anstehende Projekte. 200 Fälle pro Jahr hätte das Gremium begutachten müssen. "Wir hatten gar keine Zeit mehr, ein fachgerechtes Urteil abzugeben", sagt Manfred Weishaar aus Gusterath (Trier-Saarburg), Aktivist beim Naturschutzbund (Nabu). Man habe ihnen nur noch kurze Mitteilungen über die Projekte vorgelegt anhand derer sie entscheiden sollten, ob es eventuell Einwände aus Umwelt- oder Naturschutzgründen gebe. Der Rat der Fachleute ist gefragt, bei größeren Straßenbauprojekten, bei der Planung von Feriendörfern etwa oder bei der Ausweisung von Gewerbegebieten. Und selbst wenn es Einwände gegeben habe, habe das die Behörde nicht wirklich interessiert, behauptet Weishaar. In vielen Fällen hätten erst die Gerichte die Planer zu einer stärkeren Berücksichtgung von Umweltbelangen gezwungen. Zum Beispiel beim Hochmoselübergang. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Planungen gestoppt, weil ein Vogelschutzgebiet nicht beachtet wurde. Es seien nie mögliche Alternativen der Trassenführung geprüft worden, obwohl der Beirat bereits vor 20 Jahren diese vorgeschlagen und auf mögliche Konflikte mit dem Naturschutz hingewiesen habe. "Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es mindestens eine Variante mit geringeren Umweltrisiken gibt, die auch noch um etliche Millionen Euro billiger ist", sagt Weishaar. Doch diese Vorschläge seien unter den Tisch gefallen. "Und jetzt? Jetzt ist die Situation völlig verfahren. Wahrscheinlich wird es auf lange Zeit keinen Hochmoselübergang geben." Auch beim Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Hahn seien die Argumente des Beirats nicht berücksichtigt worden. Einmal sollte der Beirat absegnen, dass ein Feuerwerk in einem Buchenwald abgebrannt werden solle. "Wir waren natürlich dagegen", erinnert sich Bielefeld. Das Feuerwerk wurde trotzdem genehmigt. Um die Gefahr eines Waldbrandes zu verringern, wurde Tage vorher der Wald mit Hubschraubern bewässert.Beiratsmitglieder fühlen sich übergangen

"Naturschutz wird in Rheinland-Pfalz immer mehr zur Privatsache degradiert. Das Land nimmt das einfach nicht mehr ernst", regt sich Weishaar auf. Man könne es nicht mehr verantworten auf diese Weise Entscheidungen zu treffen. Deshalb habe die Konsequenzen gezogen. Alle sechs nun zurückgetretenen Mitglieder stammen aus Trier. Anscheinend hat man die Probleme bei der SGD erkannt. Die "organisatorischen Strukturen ebenso wie die Ziele und Inhalte" der Beiräte sollen nun geändert werden, kündigte Behördenchef Hans-Dieter Gassen in einem Brief an Weishaar an. Auch wenn man "in wenigen Fällen" nicht den Empfehlungen des Gremiums gefolgt sei, bedeute das nicht eine Missachtung des Beirates, betont Gassen. Der Beirat bleibt trotz der Querelen weiter funktionsfähig. Für die sechs Mitglieder, die abgesprungen sind, rücken deren Stellvertreter nach.

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