Unbekannter Schelm

MAINZ. Ein bunter Politroman zieht das politische Mainz durch den Kakao. Die "Sommerkomödie" dreht sich um einen grandios gescheiterten Versuch, die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland zu vereinigen.

Ganz neu ist das Sujet nicht. Spätestens seit Ministerpräsident Kurt Beck vor zwei Jahren laut über eine Fusion von Rheinland-Pfalz und dem Saarland nachdachte, spuken entsprechende Pläne in manchem Hirn weiter. Nun sind sie auch literarisch verewigt. Freilich ist es in dem Roman "Aus Drei mach Eins" eine Mainzer Ministerpräsidentin, deren Geheimplan die Sache ans Laufen bringt. Der Innenminister beauftragt einen bis dato unauffälligen Ministerialbeamten mit der höchst vertraulichen Ermittlung, was man denn im Fall der Fälle mit den vielen überflüssigen Abgeordneten aus drei Landtagen anfangen könnte. Leider sickern in der Mainzer Medienszene mit ihren privaten und dienstlichen Verquickungen sowohl die Fusionspläne wie die hochnotpeinlichen Abgeordneten-Dossiers an die Öffentlichkeit durch, was einen Herzanfall des Innenministers, eine Urlaubsunterbrechung der Landesmutter und ein paar personelle Verwerfungen in der mittleren Ministerialbürokratie nach sich zieht. Die Abgeordneten verteidigen lautstark und trinkfest ihre Besitzstände, was schließlich in einer finalen interfraktionellen Massenschlägerei auf dem Hambacher Schloss gipfelt. Das alles ist frisch und mit satirischem Unterton erzählt, beileibe kein Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis, aber eine brav-vergnügliche Zerstreuung für einen Nachmittag am Strand. Angesichts der unüberlesbaren Insiderkenntnisse und dem ausgeprägten Sensor für die multilateralen Befindlichkeiten zwischen Mainz, Saarbrücken und Wiesbaden ist die spannendste Frage freilich nicht die nach dem Inhalt des Romans, sondern die nach dem Autor. Genauer gesagt, der Autorin. Conny Kirschgarten soll sie heißen, aber wer beim kleinen Wiesbadener Brücken-Verlag einen Interview-Termin verabreden will, wird verschwörerisch auf ein "Autorenteam" verwiesen, "das anonym bleiben will". In der durchaus überschaubaren Mainzer Hauptstadtszene will niemand eine Ahnung haben, was sich hinter dem Pseudonym verbirgt. Auch das Buch scheint keiner zu kennen. Selbst Martin Stadelmaier, als Chef der Staatskanzlei das allgegenwärtige Auge und Ohr seiner Majestät Kurt I., demonstriert Unkenntnis. Vielleicht ein landespolitischer Journalist als Autor? Dafür geht man zu freundlich mit den handelnden Figuren der Landespolitik um. Geradezu sorgfältig wird vermieden, einem der tatsächlich Regierenden eins auszuwischen oder einen realen Minister bis zur Kenntlichkeit zu karikieren. Also ein Insider aus der Ministerialbürokratie, der für den Fall der Enttarnung nicht zu viel Ärger riskieren will? Im Buch heißt es lakonisch, die (fiktive) Autorin betreibe "eine Weinstube in Rheinhessen". In der Tat gibt es eine inspirationsträchtige Mainzer Szenekneipe namens "Doctor Flotte im Kirschgarten" und einen "Landgasthof Kirschgarten" in Wackernheim. Dort kehrten auch schon mal Regierungsleute ein, verrät der Mann am Empfang. Auch Regierungssprecher Walter Schumacher sei dort bereits gesichtet worden. Das klingt nach einer Spur. Der bekanntermaßen satirebegabte und sprachgewandte Oberverkäufer der Landesregierung als geheimer Autor eines Schlüsselromans? Er kenne das Werk nicht einmal, beteuert Schumacher, dem man ansonsten nachsagt, er wisse in Mainz eigentlich alles. Aber er werde sich die Lektüre rechtzeitig für den Urlaub noch zulegen, versichert der einstige Radiomann. Für 11 Euro ist das 196 Seiten starke Taschenbuch im Buchhandel erhältlich. "Aus Drei mach Eins", Conny Kirschgarten, Brücken-Verlag Wiesbaden.

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