Verlegenheitslösung Basis-Votum

MAINZ. Regionalkonferenzen und Mitgliederbefragung werden nach Einschätzung des Landauer Politikwissenschaftlers Professor Ulrich Sarcinelli die tiefen Gräben in der rheinland-pfälzischen CDU nur notdürftig schließen. Die Basis zu abstimmen zu lassen, sei meist eine Verlegenheitslösung, so Sarcinelli im TV -Interview.

In der CDU kommen Mitgliederbefragungen regelrecht in Mode. Ist das eine neue Art Parteipolitik oder schlicht der Versuch, aus misslichen Lagen herauszufinden? Sarcinelli: Mitgliederbefragungen werden gerne als basisdemokratisches Mittel verkauft. Tatsächlich waren und sind sie meist politische Verlegenheitslösungen. In der Realität werden sie als Ausweg zur Entscheidung unklarer Machtverhältnisse eingesetzt. Werden durch Regionalkonferenzen Spitzenkandidaten regelrecht "gemacht"? Sacinelli: Nein, allenfalls wird eine Vorentscheidung bei unklarer Kandidatenkonstellation getroffen. Wer hat von den Mitgliederversammlungen der CDU im Land profitiert: Christoph Böhr oder Peter Rauen? Sarcinelli: Letztlich wohl eher Christoph Böhr, weil es Peter Rauen nicht überzeugend gelungen ist, die Erwartungen, die er selbst und die anderen Bezirksvorsitzenden an einen Gegenkandidaten gestellt haben, zu erfüllen. Kann ein Basis-Votum in Form der Mitgliederbefragung wieder Ruhe in die Landes-CDU bringen? Sarcinelli: Dies ist nach der ebenso langjährigen wie sorgsamen Pflege innerparteilicher Feindschaften in der rheinland-pfälzischen CDU eher unwahrscheinlich. Kurzfristig wird sich die Partei aber um des Wahlkampfes willen zu einem Mindestmaß an Geschlossenheit zusammenraufen. Wie verbindlich können oder müssen solche Befragungen sein? Sarcinelli: Juristisch sind Mitgliederbefragungen unverbindlich. Politisch binden sie Parteitage vor allem dann, wenn sich aus ihnen ein klares Votum zugunsten eines Kandidaten ergibt. In Baden-Württemberg sollen die Mitglieder die Teufel-Nachfolge und damit den nächsten Ministerpräsidenten bestimmen. Werden dadurch nicht die Rechte der Abgeordneten beschnitten? Sarcinelli: Die Erweiterung von Mitgliederrechten bedeutet immer eine Einschränkung der Handlungsfreiheit von Mandatsträgern und Funktionären. Das kann politische Verkrustungen aufbrechen und zwingt den politischen Apparat zu größerer Sensibilität für die Wünsche der politischen Basis. Andererseits wird der politische Prozess dadurch auch ein Stück weit unberechenbarer und stimmungsabhängiger. Mit Professor Sarcinelli sprach unser Redakteur Joachim Winkler.

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