"Verlierer ist auf jeden Fall das Mädchen"

BITBURG. Keine Wende im Missbrauchs-Prozess gegen den Bad Kreuznacher Kommunalpolitiker Franz Enders vor dem Bitburger Amtsgericht: Die Staatsanwaltschaft lehntegesternab, das Verfahren gegen ein Bußgeld einzustellen.

Für etwas mehr als eine Stunde war das Ende des seit Juli dauernden Prozesses gegen den ehemaligen Bad Kreuznacher Kreisbeigeordneten Franz Enders greifbar nahe: Einstellen und eine Geldbuße für den 69-Jährigen, lautete der Vorschlag von Enders neuem Anwalt Christoph Jahrsdörfer an Staatsanwalt Stephane Parent. Doch nachdem dieser sich mit seinem Chef in Trier kurzgeschlossen hatte, war der Vorschlag vom Tisch. Parent hielt weiter an seiner Anklage fest und bot als Kompromiss an: Falls Enders seiner Enkelin erspart, am kommenden Montag erneut aussagen zu müssen, könne man über eine "milde" Geldstrafe nachdenken. Doch das war mit Enders nicht zu machen: "Warum soll ich etwas zugeben, was ich gar nicht getan habe." Dem 69-Jährigen wird vorgeworfen, vor fast vier Jahren seine damals elfjährige Enkelin sexuell berührt zu haben. Der Prozess musste neu aufgerollt werden, weil Enders früherer Anwalt ein Glaubwürdigkeitsgutachten der mittlerweile 15-jährigen Enkelin, die bei ihrem Vater in der Eifel lebt, anforderte, dies aber erst im September vorlag - zu spät, um den Prozess ordnungsgemäß fortzusetzen. So wurde erneut vor dem Bitburger Jugendschöffengericht schmutzigste Wäsche gewaschen. Mehrmals drohte die Verhandlung abzugleiten, wenn sich verfeindete Familienmitglieder lautstark anfuhren. "Wir sind hier nicht beim Fernsehgericht", fuhr der Richter dazwischen. Die Zeugen-Aussagen offenbarten Abgründe in der Familie des Mädchen. Es ging gar nicht mehr um den Fall und die 15-Jährige, die am Montag acht Stunden vor dem Gerichtssaal auf eine erneute Aussage gegen ihren Opa wartete, bevor Richter Werner von Schichau sie nach Hause schickte. Es ging in erster Linie um die Glaubwürdigkeit der mittlerweile geschiedenen Eltern, vor dem Hintergrund, dass Enders Verteidiger dem Vater vorwirft, die Tochter instrumentalisiert zu haben, um einen Rachefeldzug gegen seinen ungeliebten Schwiegervater zu starten und die Vorwürfe erfunden sind. Von Sex-Videos aus dem Schlafzimmer des Arzt-Ehepaares war die Rede, von Liebschaften auf beiden Seiten, von einem unehelichen Kind, das er in Kuba haben soll. Die 42-jährige Frau bezeichnete ihre 18-jährige Ehe mit dem neun Jahre Älteren als Martyrium: "Ich war eine Gefangene." Er gab sich vor Gericht zunächst sehr selbstsicher, wurde dann aber zunehmend nervöser, als er vom Richter und von Anwalt Jahrsdörfer unter Druck gesetzt wurde. Der 51-jährige erzählte wortreich und blumig, wußte aber nicht, was sich am angeblichen Tat-Tag bei ihm im Haus in der Eifel abgespielt hat. "Sie haben die unangenehme Eigenschaft zu schwadronieren", ermahnte ihn von Schichau. Der Arzt verstärkte mit seinem Auftritt den Verdacht, dass er die mögliche Tat zur Privatfehde gegen den verhassten Schwiegervater nutzen wollte. Als auch seine Schwester ihm vorwarf, dass er zu erfundenen Geschichten neige, erhielt die Glaubwürdigkeit des Arztes zumindest einen tiefen Riss. Ein Familienkrieg, der auf dem Rücken der Tochter ausgetragen wird. Von Schichau brachte es auf den Punkt: "Egal wie es hier ausgeht: Verlierer ist eindeutig das Mädchen."

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