Viel Moos, wenig Moral

TRIER. Korruption ist alltäglich: Bestechungsskandal um das Münchener Fußball-Stadion, Verdacht gegen Bahnchef Mehdorn, Müll-Machenschaften in Köln. Mit härteren Strafen ist den Tätern nicht beizukommen, glaubt der Trierer Sozialethiker Wolfgang Ockenfels. Ihnen, wie einem Großteil der Gesellschaft, fehle die Moral, sagt er.

Korruption ist lediglich ein Symptom einer kranken Gesellschaft: Es gibt keine religiöse Bindung mehr, den Menschen fehlt die Moral, also rückt der persönliche Nutzen in den Vordergrund. Alles ist käuflich, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Gebe es wieder mehr Moral und Unrechtsbewusstsein, dann gebe es auch weniger Bestechung. Aus Sicht eines Juristen eine wohl eher banale Betrachtung des Problems Korruption. Für den Dominikanerpater und Sozialethiker an der Theologischen Fakultät der Uni Trier, Wolfgang Ockenfels, liegt in diesem Werteverfall ("Mit dem lieben Gott brauchen Sie heute doch keinem mehr zu kommen") jedoch der Grund allen Übels. Die Laster haben über die Tugenden gesiegt, die zehn Gebote haben keine Bedeutung mehr, die Sitten sind verfallen. Da bringen auch härtere Strafen nichts: "Wir können nicht alles rechtlich regeln", glaubt der Theologe, der seine Thesen in dem gestern vorgestellten und von der Katholischen Akademie Trier herausgegebenen Buch "Korruption: Krebsgeschwür der demokratischen Gesellschaft" zusammen mit anderen Autoren wiedergibt. Der Termin der Buchvorstellung war willkürlich, hätte aber passender nicht sein können. Einen Tag zuvor trat der Münchener Fußball-Club-Präsident Karl-Heinz Wildmoser wegen Bestechungsvorwürfen beim Bau des neuen Stadions zurück, gleichzeitig werden Korruptionsvorwürfe gegen Bahnchef Mehdorn bekannt. Zwar würden die Medien einiges dafür tun, dass die Machenschaften aufgedeckt würden, doch in den meisten Fällen würde der Neid ("Auch ein Laster") der nicht zum Zuge gekommenen Konkurrenten dazu führen, dass Affären überhaupt an die Öffentlichkeit kämen. "Korruption ist alltäglich", stellt Ockenfels fest, der jedoch den so genannten Kölner Klüngel ("Man kennt sich und hilft sich") davon ausnimmt. Bestechung, Neid, Missgunst habe es schon immer gegeben. Er spricht von der natura corupta des Menschen. Selbst im Alten Testament sei von bestechlichen Richtern die Rede, und auch die Kirche habe sich mit dem Ablasshandel an dem System beteiligt. Apropos Kirche: Der Pater , dessen Rat sogar schon Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt einholte, weiß, dass er sich auf einem schmalen Grat bewegt, wenn er mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zeigt. "Korruption gab und gibt es auch in der Kirche", sagt er mit Blick auf den ctt-Skandal. Wie immer bei Wirtschaftskriminalität habe auch hier die nötige Kontrolle gefehlt. Vertrauen allein könne diesen Mangel nicht ersetzen, kritisiert Ockenfels, ohne dass er einen Namen nennt, das Verhalten von Alt-Bischof Spital. Die ctt komplementiere das "Sündenregister" der Kirche. Jeder andere Arbeitnehmer wäre angesichts solcher Vorgänge in seinem eigenen Unternehmen frustriert. Doch Ockenfels ist Theologe. Und daher glaubt er immer an das Gute im Menschen. Wenn ihnen die Moral fehlt, muss sie ihnen wieder vermittelt werden: im Elternhaus, in der Schule und in Unternehmen, so wie er das als ethischer Berater der Software-Firma IBM tut. Man müsse vermitteln, welcher Milliarden-Schaden durch Korruption angerichtet werde, und dass man sich damit nur schade und es irgendwann doch an die Öffentlichkeit komme. Fraglich, ob der moralische Zeigefinger, ausreicht, wenn es als Kavaliersdelikt angesehen wird, dass Millionen von einer Hand in die andere fließen. Ockenfels jedenfalls hofft es. Günther Gehl (Hrsg.): Korruption: Krebsgeschwür der demokratischen Gesellschaft , Verlag Bertuch, erhältlich im Buchhandel (15,80 Euro) oder über die Katholische Akademie Trier.

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