"Viel Stochern im Nebel"

MAINZ. Menschen können offensichtlich anfällig für Elektrosmog sein. Doch über konkrete Zusammenhänge mit Krankheitsbildern hat auch das Projekt "EMF-Wachhund" an der Uni Mainz bisher keine Erkenntnisse gebracht. Klinische Untersuchungen sollen die Forscher nun weiter bringen.

Bis zu vier Prozent der Bevölkerung gelten laut Bundesamt für Strahlenschutz als Elektro sensibel. Mögliche Gesundheitsgefahren durch Elektromagnetische Felder (EMF) verunsichern viele Menschen, denn auf den so genannten Elektrosmog stößt jeder, ob durch Handy, Mobilfunk-Basisstation und Haushaltsgeräte oder am Arbeitsplatz und bei Alarmanlagen. Seit Herbst 2003 haben sich 150 Menschen beim Projekt "EMF-Wachhund" der Universität Mainz gemeldet, weil sie die Auswirkungen der Strahlungen am eigenen Körper zu spüren glauben: Kopfschmerzen, Schlafstörungen, allgemeines Unwohlsein, aber auch Brennen auf der Haut oder Hörgeräusche. Das Spektrum der genannten gesundheitlichen Störungen sei extrem breit, sagt Epidemiologe (Krankheitsursachen-Forscher) Dr. Joachim Schüz, der Sprecher der Projektgruppe.Schwierige Suche nach den Auslösern

Doch nach seiner bisherigen Bilanz kann er nur feststellen, dass trotz umfangreicher Fragebogen und zusätzlicher Gespräche mit jedem dritten Betroffenen keine besonders auffälligen Muster zu erkennen sind, die eindeutige Schlussfolgerungen zulassen. Das erste Fazit der Wissenschaftler: Es gibt offensichtlich eine Anfälligkeit der Menschen für Elektrosensibilität. Doch was ist der Auslöser? Sind es die Strahlen selbst, die Angst vor den Strahlen, oder werden die Symptome nur den Strahlungen zugeordnet? "Wir brauchen Studien mit direkt Betroffenen, um weiter zu kommen", fordert Schüz. Seit mehr als zehn Jahren gibt es eine intensive EMF-Forschung, und nicht nur mancher Wissenschaftler fragt sich, ob überhaupt Fortschritte gemacht wurden. Die Ergebnisse sind wenig konkret, die Aussagekraft schwer zu bestimmen. Viele Krankheitsbilder werden mit Elektrosmog in Verbindung gebracht, doch Zusammenhänge sind mehr als vage. "Es bleibt viel Stochern im Nebel", räumt Statistikexperte Schüz ein. Hinter Studien, die Folgen für die Blutbildung, das Nervensystem oder die Abwehrfähigkeit des Blutes befürchten, sieht er große Fragezeichen, weil oft eine schlechte Konzeption der Untersuchungen an der Aussagekraft zweifeln lässt. Schüz selbst ist Leiter des deutschen Teils der von der Weltgesundheitsorganisation koordinierten Interphone-Studie. Dabei wird seit dem Jahr 2000 in insgesamt 13 Ländern bei 7000 Hirntumor-Patienten nach den Ursachen der Erkrankung gesucht. Ein Kandidat ist das Handy. Wenn es ein Risiko gibt, ist es bei diesem absoluten Spitzenreiter im Hochfrequenzbereich am leichtesten wahrzunehmen, wie Schüz erläutert. Nicht die Vielnutzer bekommen jedoch immer die meiste Strahlung ab, sondern oft ist dafür die Qualität der Verbindung ausschlaggebend. Zwar weisen erste Ergebnisse des dänischen Teils der weltweiten Studie keinen Zusammenhang mit einem bestimmten Tumortypen aus, der speziell in der Nähe des Ohres wächst. Dennoch mahnt Schüz zur Vorsicht, ist doch der Anteil der Langzeitnutzer bei allen Untersuchungen bisher gering. "Es gibt viel, was wir nicht wissen", konstatiert der Mainzer Wissenschaftler. Klar ist indes, dass die Zahl der Strahlenquellen rasant zunimmt und das Frequenzspektrum mit drahtlosen Rechnern über digitalen Rundfunk bis hin zur UMTS-Technik bei den Handys ständig breiter wird. Und niemand weiß, was für Folgen es hat, gleichzeitig vielen unterschiedlichen Strahlen ausgesetzt zu sein.

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