"Vielleicht war ich manchmal zu barsch"

TRIER. Zum zweiten Mal seit Beginn des Prozesses um die Ermordung seiner Frau hat sich der angeklagte Ehemann gestern vor Gericht geäußert. Zu den Tatvorwürfen schweigt der 45-jährige Nitteler weiter.

Thomas B. redet flüssig. Kein Stocken, er antwortet spontan auf die Fragen des psychiatrischen Gutachters Johann Glatzel. Er weicht ihm nicht aus, auch wenn es persönlich wird. Er ist ruhig und höflich. Für eine halbe Stunde ist es mucksmäuschenstill unter den Zuschauern. Seit Beginn des Mord-Prozesses redet der Angeklagte zum zweiten Mal. Zu den Tatvorwürfen äußert er sich auch heute nicht. Tom, wie ihn Freunde und Verwandte nennen, gibt sich als normaler Ehemann, der immer Rücksicht auf seine Frau Michaela genommen habe. Von den Depressionen und den Panikattacken, von denen die behandelnde Psychologin von Michaela B. kurz zuvor berichtet, habe er gewusst. "Lass dich nicht so hängen, das Leben geht weiter", habe er ihr dann immer gesagt, wenn sie weinend "wie ein Häufchen Elend" auf der Couch gesessen habe. Vielleicht sei er "manchmal zu barsch" zu ihr gewesen. Aber er habe sie nie "zu etwas gedrängt, was sie nicht wollte", sagt er. Thomas B., der fürsorgliche, rücksichtsvolle Ehemann. Der 45-Jährige bestreitet, bis vor kurzem jemals fremdgegangen zu sein. Bevor er Michaela kennen lernt, habe er "drei, vier feste Freundinnen" gehabt. Mit einer habe er zwei Jahre in Nittel zusammengewohnt. Zwischen ihm und seiner Frau habe alles gestimmt, sexuell seien sie "frei und offen" gewesen: "Dafür haben wir uns nicht geschämt." Er ist froh, darüber reden zu dürfen: "Gut, dass sie mich danach fragen", freut er sich, als Glatzel auf das Thema kommt. Als er im vergangenen Sommer ein Verhältnis mit einer vier Jahre Älteren angefangen habe, sei das aus "Neugier auf eine neue Frau" geschehen. Die wöchentlichen Treffen hätten aber immer unter der Angst gestanden, dass "das irgendwann mal auffliegt". Seine Frau habe er aber nicht verlassen wollen, er habe mit seiner Freundin keine Pläne für die Zukunft gemacht. Vergangene Woche hatte die 49-Jährige jedoch ausgesagt, dass Thomas ihr berichtet habe, seine Frau wolle sich von ihm trennen. "Denk mal scharf nach"

Was ist wahr an dem, was Thomas B. durchaus überzeugend, kaum nervös und ohne Hilfe seiner beiden Anwälte, rüberbringt? Ist er wirklich der, der er in dieser halben Stunde vorgibt zu sein? Immerhin ist er eine Stunde zuvor erneut schwer belastet worden. Eine 71-jährige Nachbarin sagt aus, dass Tom ihr am Morgen nach dem Verschwinden von Michaela B. gesagt habe: "Du brauchst nicht zu glauben, dass ich lange allein bleibe. Ich brauch' was um mich herum." Und einen Tag später, am Sonntagmorgen, soll er wieder bei ihr geklingelt und versucht haben, sie zu überreden, ihm ein Alibi für die Zeit zu geben, als seine Frau angeblich verschwunden sei: "Ich war die ganze Zeit zu Hause. Denk mal scharf nach, ob du mich nicht gesehen hast", soll er zu der Frau gesagt haben. Sie habe ihn aber nicht gesehen, versichert die Frau. Ein Raunen geht durch die Zuschauerreihen. Doch dazu schweigt Thomas B. wieder.

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