Voll auf den Leim gegangen

TRIER. Sein Auftreten war würdig, seine Taten nicht: Als falscher Diakon soll Marcel Weiss eine Ehe geschlossen, zwei Kinder getauft, Nonnen betrogen und ein Haus eingesegnet haben. Heute muss er sich deshalb vor dem Trierer Amtsgericht verantworten.

"Karl-Heinz Päulgen, DGB Trier, Dieter Kretschmer, DGB-Chef Rheinland-Pfalz, Diakon Marcel Weiss bei der Einweihung." Die Bildunterzeile aus dem TV vom 15. März 2001 spricht Bände: Regionale Prominenz und mittendrin Marcel Weiss. So fühlte sich der gebürtige Bonner offenbar wohl. Der 55-Jährige soll sich als Diakon ausgegeben haben, als Kinderarzt, als Chirurg.Zeugnis gefälscht, Note: sehr gut

Einziger Schönheitsfehler: Weiss ist nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein klassischer Hochstapler, ausgebildet lediglich zum Krankenpflegerhelfer. Zum Kinderarzt machte er sich nur im Gespräch. Zum Krankenpfleger Schwarz auf Weiß: per gefälschter Urkunde, Prüfungsergebnis "sehr gut". Auf diesem Weg erklärte er sich auch zum Leitenden Oberpfleger und erteilte sich selbst die Lehrberechtigung für Anatomie, Chirurgie und Krankheitslehre an einer Pflegeschule. Gefälschte Zeugnisse ­ mit denen er sich in Luxemburg und Bad Bertrich als OP-Pfleger bewarb ­ ließ er sich teils sogar noch vom Arbeitsamt in Trier beglaubigen. Doch weder medizinische noch kirchlichen Weihen hat er offenbar jemals tatsächlich empfangen. Und deshalb muss sich Weiss vor dem Trierer Schöffengericht heute wegen Betrugs, Urkundenfälschung, kirchlicher Amtsanmaßung, Titel-Missbrauchs, Falschbeurkundung und in einem Fall noch wegen Falsch-Aussage verantworten. Die im TV -Bericht beschriebene Einsegnung des Gewerkschaftshauses in Castelforte ist ein Musterbeispiel für das Vorgehen des vermeintlichen Geistlichen. "Ich bin ihm voll auf den Leim gegangen", sagt Karl Heinz Päulgen heute. In einer Gaststätte habe sich ihm Weiss als Kinder-Chirurg und katholischer Diakon vorgestellt. Der Gewerkschaft kommt der Teilzeit-Geistliche damals gerade recht. "Wir dachten noch, dass er als Kinder-Chirurg ja voll im Leben steht", erinnert sich Päulgen ­ die Verbindung von Einsegnung und Arbeitswelt also. Einen Verdacht schöpft niemand, als Weiss im dunklen Anzug und mit ­ selbstgeschneiderter ­ Schärpe eine kurze Ansprache hält und dem Haus seinen Segen gibt. Warum auch, fragt sich Päulgen: "Das war professionell. Ich weiß nicht, ob ein echter Diakon das besser gemacht hätte." Dass sich Weiss später als falscher Heiliger entpuppte, habe ihn "menschlich sehr enttäuscht", sagt Päulgen. Bis auf Häme und Spott und die bis heute fehlende richtige Einsegnung des Gebäudes hielt sich der Schaden für die Gewerkschaft in Grenzen. Bei anderen Weiss-Opfern kam zur menschlichen Enttäuschung noch erheblicher materieller Schaden. Ein junges Trierer Paar, dessen Bekanntschaft "Diakon Weiss" ebenfalls in einer Trierer Kneipe machte, traute dieser im August 2000 in der Kirche des Josefsstifts. Auch die Tochter des Paares wurde dabei noch getauft. Die Schwestern des Josefsstifts vertrauten leichtfertig der Aussage des Diakons, er handele im Auftrag des zuständigen Pastors, und schmückten die Kirche feierlich ­ Weiss kassierte bei dem Ehe-Paar dafür ab: 900 Mark für Blumenschmuck und als Spende. Aus dem schönsten Tag im Leben wurde für die vermeintlichen Eheleute so einer der teuersten Tage, nach Auffliegen des falschen Diakons sogar einer der bittersten. "Schockiert" seien die jungen Leute gewesen, erinnert sich Dechant Heinz Brubach, der später aus der scheinbaren noch eine tatsächliche Ehe vor Gott machte. Ihm war der angebliche Diakon in seinem Sprengel von Anfang an komisch vorgekommen, als ein Pfarr-Angehöriger Brubach den vermeintlichen Geistlichen vorstellte: "Die Haare zum Schwänzchen gebunden, ein Ringelchen im Ohr und leicht alkoholisiert ­ so sieht nicht unbedingt ein typischer Diakon aus", sagt Brubach. Als der TV -Bericht erschien, alarmierte der Dechant sofort das Bistum. Weiss flog auf. Dass der falsche Gottesdiener angesichts seiner Taten und einiger Vorstrafen im Gericht heute noch auf Beistand von oben hoffen kann, scheint zweifelhaft. Im Fall eines Schuldspruchs droht ihm eine ganz irdische Freiheitsstrafe.

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