Von Reue nichts zu spüren

TRIER. Frühestens im Jahr 2021 dürften sich die Gefängnistore für den 36-jährigen Nikolaus S. wieder öffnen. Der gelernte Schlosser muss für den brutalen Mord an einer 59-jährigen Frau aus Trier büßen – zumindest nach dem Urteil der Schwurkammer am Trierer Landgericht.

Mehr als eine Stunde dauert die mündliche Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz. Sie nimmt sich Zeit für Details. Schließlich geht es um viel: um lebenslänglich, die höchste Strafe, die das Recht in Deutschland kennt. Dabei steht gar nicht in Frage, dass Nikolaus S. verantwortlich ist für den Tod seiner Zufalls-Bekanntschaft aus einer Kneipe in Trier-Nord. Das hat er längst eingeräumt, bei der Polizei. Und dann auch sehr spät, am letzten Verhandlungstag, im Gerichtssaal. Aber für eine Verurteilung wegen Mordes reicht das äußere Tatgeschehen alleine nicht aus. Der Täter muss bewusst ein besonderes Merkmal erfüllen, Heimtücke beispielsweise oder niedere Beweggründe. Deshalb muss das Gericht in die Details gehen. Muss Dinge öffentlich darstellen, die den Bereich des Unappetitlichen nicht nur streifen. Man fragt sich, wie die Kinder des Opfers das aushalten, die als Nebenkläger tapfer im Saal verharren, dunkel gekleidet, als besuchten sie eine Trauerfeier. Weite Teile des Geschehens stehen außer Frage. Wie Nikolaus S. am Nikolaustag 2005 eine Kneipentour machte und dabei eine zweistellige Zahl von Stubbis konsumierte - ein für ihn nicht ungewöhnliches Pensum. Wie der ledige Mann mit der - laut Gericht - "Neigung zu Frauen, die etwas Mütterliches ausstrahlen" an der Theke eine 23 Jahre ältere Frau kennen lernt. Wie man gemeinsam Bier und Wein trinkt und sich mit ein paar Vorräten in die Wohnung der 59-Jährigen begibt.Spontane Affekt-Tat nach Streit - oder Mord?

Was dann passiert, hat später das Gericht intensiv beschäftigt. Man habe einvernehmlich Sex gehabt, sagt der Angeklagte, erst danach habe es einen lautstarken Streit gegeben. Er würgt seine Gastgeberin mit den Händen, schnürt ihr mit einem Handtuch die Luft ab, bis sie leblos am Boden liegt. Er durchsucht die Wohnung nach Geld, geht zurück in die Kneipe, trinkt weiter. Dann kehrt er in die Wohnung zurück, wo er dem längst toten Opfer ein Messer in den Bauch rammt, weil er das Gefühl hat, es habe sich in seiner Abwesenheit bewegt. Es dauert dann noch einmal eine Stunde, bis er die Polizei anruft und sich am Tatort festnehmen lässt. Aber das Gericht glaubt Nikolaus S. in einem entscheidenden Punkt nicht: Es habe "keinen zweigeteilten Handlungsablauf gegeben", sagt Richterin Schmitz, "die Spuren sprechen da eine eindeutige Sprache". Das Opfer habe den Geschlechtsverkehr spätestens ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gewollt. S. habe die Frau vergewaltigt und in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Vergewaltigung getötet. Damit sei das Mordmerkmal einer Tat "zur Befriedigung des Sexualtriebs" erfüllt. Die Kammer belegt ihre Einschätzung mit einem dichten Beweisnetz, das sich vorrangig auf die Erkenntnisse der Kriminaltechniker und der Gerichtsmediziner stützt. Da bleibt nicht viel an Zweifeln am Vorwurf des Mordes. Der psychiatrische Gutachter sieht beim Angeklagten zwar Defekte, aber keine verminderte oder gar ausgeschlossene Schuldfähigkeit. Auch für eine Tat im unkontrollierbaren Affekt spreche nichts, befindet das Gericht, dafür habe sich S. danach "zu kühl und kalkulierend verhalten". Wenn das Urteil rechtskräftig wird, kann ein Gnadengesuch für Nikolaus S. frühestens nach 15 Jahren geprüft werden. Im Moment liegt der Gedanke an Gnade freilich weit weg. Nicht zuletzt, weil bei Nikolaus S., wie die Vorsitzende Richterin sagt, "nicht das Geringste an Reue 'rübergekommen ist".

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