Warum in rheinland-pfälzischen Polizeimeldungen die Herkunft eines Tatverdächtigen keine Rolle spielt

Trier · Nach den Übergriffen vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht dauern die Diskussionen an, wie über ausländische Tatverdächtige berichtet wird. Einer der Vorwürfe: Die Nationalität werde häufig bewusst verschwiegen, um keine Vorurteile gegen Ausländer zu schüren. Ein kluger Schachzug – oder bewirkt er genau das Gegenteil?

Als am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung Maybrit Illner über die Lehren aus den Exzessen in der Kölner Innenstadt diskutiert wurde, ergriff Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Wort. Er halte es für falsch, dass man die Dinge nicht beim Namen nenne, meinte der CDU-Politiker, "sonst leistet man den falschen Dingen Vorschub".

"Politische Erwartungshaltung"

Konkret bezog sich de Maizières Äußerung auf andauernde Debatte, ob die Herkunft von Straftätern nun genannt werden darf oder nicht. Das Thema ist zwar nicht neu, hat aber nach den Kölner Übergriffen an Dynamik gewonnen. Insbesondere, nachdem der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gesagt hatte, jeder Beamte wisse schon, dass er eine "bestimmte politische Erwartungshaltung zu erfüllen" habe. Zudem werde die Kriminalstatistik mit Taschenspielertricks geschönt.

Kein geringer Vorwurf. Aus den Ländern wurde er auch sogleich brüsk zurückgewiesen . Die Reaktionen hätten ihn an die alte Juristenweisheit - "durch hartnäckiges Leugnen verrät sich der Schwerverbrecher" - erinnert, meinte ein rheinland-pfälzischer Polizeibeamter gegenüber unserer Zeitung. Er stimmt dem Gewerkschaftsfunktionär weitgehend zu. Um den "Anweisungen von oben" zu genügen, würden diese auch in Rheinland-Pfalz längst übererfüllt. Im Klartext: Die Nationalität eines Straftäters taucht in den veröffentlichten Polizeimeldungen so gut wie nicht mehr auf. Die "Anweisungen von oben" gibt es tatsächlich, auch wenn sie in Rheinland-Pfalz offiziell "Zielvereinbarung für ein Miteinander ohne Vorbehalte" heißen und vor fünf Jahren unter dem damaligen SPD-Innenminister Karl Peter Bruch aufs Gleis gesetzt wurden.

Es war kein Alleingang des Mainzer Innenministeriums, sondern eine Kooperation mit dem Sozialministerium, der Landesbeauftragten für Migration und den Integrationsbeiräten. Weil Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) damals Sozialministerin war, ist das Thema derzeit auch für die Landes-CDU von besonderem Interesse und soll wohl auch im Landtag in der übernächsten Woche auf die Tagesordnung gesetzt werden.

In der laut Innenministerium an den Pressekodex angelehnten Zielvereinbarung wird unter anderem vereinbart, dass die Polizei "in ihrer täglichen Arbeit alles unternimmt, um Diskriminierung zu vermeiden". Zudem werde bei der Pressearbeit "gewissenhaft geprüft, ob es für die Nennung der Nationalität ein "polizeiliches Erfordernis" gebe.
"Ein Gummiparagraf", schimpfen viele Beamten, die es lieber sähen, wenn sie klare und unmissverständliche Vorgaben bekämen. Weil es die im Fall der Nationalitätennennung aber nicht gebe, gehe man in der Regel vom "worst case" aus und lasse die Herkunft eines Tatverdächtigen lieber weg "statt Ross und Reiter zu nennen", sagt ein Praktiker.

Als "geradezu absurd" weist das Mainzer Innenministerium unter Verweis auf die jährlich veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS, siehe Extra) Vorwürfe zurück, dass Zahlen verschleiert oder geschönt würden. "Ein solcher Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage", heißt es dazu auch aus dem Trierer Polizeipräsidium. Polizeiliche Kriminalstatistik in Zahlen

Im Jahr 2014 wurden in Rheinland-Pfalz 30.080 nichtdeutsche Tatverdächtige erfasst - 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an der Zahl aller Tatverdächtigen lag bei 26,4 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger bei Straftaten gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz (98,9 Prozent), beim Schmuggel von Cannabisprodukten (76,2 Prozent), bei Menschenhandel (72,2 Prozent) und bei schwerem Ladendiebstahl (73,1 Prozent). Die meisten ausländischen Tatverdächtigen kommen aus der Türkei (13 Prozent), es folgen Rumänen (8,7 Prozent), Polen (6,7 Prozent) und Syrer (6,1 Prozent). sey Mehr zum Thema

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