Weißwürste und Buhmänner

WITTLICH. Heimspiel für Peter Rauen, Punktsieg für Christoph Böhr: Bei der fünften und letzten Regionalkonferenz traten am Montagabend im Wittlicher Bungert-Bierzelt die Kontrahenten um die CDU-Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2006 noch einmal gegeneinander an. 1200 neugierige Parteimitglieder genossen Bier, Brezeln und eine bisweilen äußerst muntere Debatte.

CDU-Landeschef Christoph Böhr macht den Eindruck, als könne er den Beginn der Veranstaltung gar nicht erwarten. Um 18.51 Uhr steigt der 50-jährige Trierer als erster auf das Podium, setzt sich kurz auf seinen Platz, um ihn gleich wieder zu verlassen und sich neben der Bühne eine Zigarette anzuzünden. "Ich war nicht nervös", sagt Böhr später. Peter Rauen gibt derweil wenige Meter entfernt Interviews, spricht mit Parteifreunden. Es ist mittlerweile kurz nach sieben, und immer noch strömen Scharen von CDU-Parteimitgliedern in das riesige Bierzelt neben der Autobahn, bilden sich lange Schlangen vor den Bon-Theken. Es gibt Weizenbier, Brezeln, Weißwürstchen mit süßem Senf und Grillhaxen, Zutaten wie beim traditionellen politischen Aschermittwoch der CSU in Passau. Nur die Blas-Kapelle fehlt im Wittlicher Festzelt, und es gibt auch keinen mit stehenden Ovationen gefeierten Einzug der Gladiatoren. Fast unbemerkt haben Christoph Böhr und sein Herausforderer Peter Rauen derweil auf dem Podium Platz genommen, eingerahmt von innerparteilichen Unterstützern und Gegnern aus dem Trierer Bezirk. Das erste Wort hat Adolf Weiland. "Ich weiß", sagt der CDU-Landesvize, "dass viele Parteifreunde besorgt sind und stinkesauer". Da brandet zum ersten Mal anhaltender Beifall auf an diesem Abend. Auch als Weiland hinzufügt, "unsere Hauptaufgabe bleibt die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner", applaudieren die 1200 Mitglieder. Christoph Böhr greift den Ball auf, äußert - wie später auch Peter Rauen - Verständnis für den Ärger in der Partei, lobt die Regionalkonferenzen und beschwört die Einheit der Union: "Steht unser politischer Gegner in den eigenen Reihen", fragt der CDU-Landeschef und schiebt die Antwort gleich hinterher: "Nein! Das ist die SPD, die 2006 schon 15 Jahre an der Macht sein wird." Und warum? "Weil sie wegen unserer Streitigkeiten an die Macht gekommen ist." Von Böhrs anfänglicher Nervosität ist auf der Bühne plötzlich nichts mehr zu spüren, der Vorsitzende ist bestens aufgelegt. Ausgerechnet Böhr, dem doch das Etikett "spröde und vergeistigt" anhaftet, der in einem Bierzelt spricht und nicht in einem Uni-Hörsaal, glänzt an diesem Abend mit seiner Rhetorik. Seine halbstündige Bewerbungsrede - ausgefeilt bis ins kleinste Detail. Selbst mit den ihm nachgesagten Schwächen kokettiert der Trierer selbstbewusst: "Ich kenne meine Schwächen. Aber ich bin so wie ich bin. Und ich wage zu bezweifeln, dass ich mich ändere in den nächsten fünf Jahren." Exakt eine halbe Stunde Zeit nimmt sich auch Böhr-Herausforderer Peter Rauen. Doch der Auftritt des 59-jährigen Salmrohrers ist im Vergleich zum Vorredner eine müde Vorstellung. Nichts zu spüren von verbaler Kampfeslust eines vor Energie strotzenden Angreifers, der das Auditorium davon überzeugen will, dass er die bessere Alternative ist. Nichsts zu spüren von einem Mann mit Charisma. Nicht die Themen - Innere Sicherheit, Bildung, Arbeitsplätze - machen den Unterschied zu Parteifreund Böhr aus, sondern die Art, wie die jeweiligen Aussagen mit der Körpersprache korrelieren, wie sie akzentuiert sind.Sympathien sind verteilt

Wenn Rauen etwa sagt, dass er das innerparteiliche Duell gewinnen wolle, weil er schließlich Sportler sei, klingt das an diesem Abend aus seinem Mund wie die Durchhalteparole eines Mannschaftskapitäns, der weiß, dass das Spiel längst verloren ist. Bei der Regionalkonferenz zuvor im Westerwald muss es für den Herausforderer noch viel schlimmer gelaufen sein. In den lokalen Medien war anschließend vom "Auftritt eines taumelnden Boxers" die Rede, der völlig von der Rolle gewesen sei. In Wittlich dagegen genießt Lokalmatador Rauen Heimspiel-Vorteil. Der Applaus fällt nach dem halbstündigen Bewerbungsvortrag nicht spärlicher aus als bei Böhr, die Sympathien im Bierzelt sind gleichermaßen verteilt. Das wird auch bei der anschließenden Fragerunde deutlich, die von vielen Parteimitgliedern allerdings dazu genutzt wird, ordentlich Dampf abzulassen und "denen da oben" den Marsch zu blasen. Mal ist Böhr der Buhmann, mal Rauen. Unisono nur der Wille, "dass das mit der Selbstzerfleischung endlich aufhört", wie es ein Redner formuliert. Nach dreieinviertel Stunden verlassen Böhr und Rauen die Bierzelt-Bühne. Ende eines anderthalbwöchigen Konferenzmarathons durchs Land, der die "Veranstaltungen" fürchtenden innerparteilichen Skeptiker eines Besseren belehrt hat.

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