Wenn ein Computer Wunder bewirkt

TRIER. Flüchtlinge, die aus Deutschland ausreisen müssen, würden oft freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren – wenn sie dort eine Perspektive hätten. An diesem Punkt setzt ein bislang einmaliges Projekt des Diakonischen Werks in Trier an. Am Montag wurde es vorgestellt.

 Berät Behörden und Flüchtlinge: Rita Behrens. Foto: Inge Kreutz

Berät Behörden und Flüchtlinge: Rita Behrens. Foto: Inge Kreutz

Sie leben oft seit Jahren in Deutschland - und in der ständigen Angst, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. Viele ausreisepflichtige Flüchtlinge quält der Gedanke, mit leeren Händen dorthin zurückzukehren, von wo aus sie einst mit großen Hoffnungen in das reiche Land aufgebrochen sind, in dem sie sich eine Perspektive erhofften - und keine gefunden haben. In Rheinland-Pfalz gebe es 4500 Flüchtlinge, die ausreisen wollten, sagt Bernd Baumgarten, Geschäftsführer des Diakonischen Werks in Trier. Sie wüssten, dass sie in ihrer Heimat, im Umfeld ihrer Familie, oft besser lebten als mit dem Status "ausreisepflichtig" in Deutschland, erzählt Rita Behrens. Sie ist Beraterin in einem einzigartigen Flüchtlings-Projekt des Diakonischen Werks, das am Montag in Trier vorgestellt wurde. Zusammen mit einer Kollegin berät sie die 36 Kreise und kreisfreien Städte im Land zur freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen. Dieses Angebot steht im Zusammenhang mit einer Initiative der Landesregierung, die den Kommunen insgesamt fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat - mit dem Ziel, dass möglichst viele Ausreisepflichtige Deutschland von sich aus verlassen. Das Diakonische Werk, das sich seit Jahren in der Flüchtlingsberatung und -hilfe engagiert, übernahm den Auftrag, die Behörden bei der praktischen Umsetzung zu beraten. Oft sei das Verhältnis zwischen Ausländeramt und Flüchtlingen angespannt, berichtet Rita Behrens. "Wir gucken, dass der Karren wieder in Bewegung kommt." Sie versuche, ein Klima zu schaffen, in dem Flüchtlinge die Ausreisepflicht als Chance sehen könnten, sagt Behrens. Allerdings wird ergebnisoffen beraten, wie Bernd Baumgarten betont: "Das Projekt ist nicht darauf angelegt, dass jeder in jedem Fall ausreisen muss. Wir wollen nicht missbraucht werden als verlängerter Arm der Ausländerbehörde." Ist der erste Schritt getan, heißt es für Rita Behrens: recherchieren. Was kostet eine Wohnung im vietnamesischen Hanoi? Wie viel Geld braucht eine vierköpfige Familie, um dort vernünftig zu leben? Wie bekommt man Medikamente für einen Flüchtling aus Serbien langfristig und verlässlich in eine Apotheke dort? Wie viele Internet-Cafés gibt es im Heimatort eines Rückkehrwilligen - ergibt sein Plan Sinn, ein weiteres zu eröffnen? Wenn ja, könnte er beispielsweise mit einem Computer ausgestattet werden. "Das kann auch eine gute Nähmaschine sein, damit sich eine Frau in Kamerun als Schneiderin selbstständig machen kann", erklärt Rita Behrens. Neben dem Fünf-Millionen-Programm des Landes gibt es weitere Fördertöpfe für Rückkehrer. Informationen über solche Geldquellen zusammenzutragen, ist neben der Beratung die zweite Säule des Diakonie-Projekts. Hinzu kommt die so genannte Evaluierung, eine Auswertung der Ergebnisse. Das Projekt wird vom Land, der EU sowie der Evangelischen Landeskirche und dem Diakonischen Werk finanziert und ist zunächst auf drei Jahre angelegt - Verlängerung und Ausweitung seien denkbar, sagt Bernd Baumgarten. "Ich gehe davon aus, dass das Problem wächst." Die jüngsten Flüchtlingsdramen in Italien und Spanien sprechen für diese These: Immer mehr Menschen verlassen ihre bitterarmen Heimatländer. "Oft haben ganze Dörfer gesammelt, um jemandem die Flucht zu ermöglichen", erklärt Rita Behrens, warum eine Rückkehr mit leeren Händen für die Betroffenen so dramatisch wäre. Ein Computer oder eine Nähmaschine können da Wunder bewirken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort