"Wer denkt denn an Tod?"

MAINZ. Bittere Klage eines leidgeprüften Vaters: Für die Sicherheitsmängel beim Projekt "Heim statt U-Haft" übernehme niemand die Verantwortung. Als der Vater der getöteten 26-jährigen Erzieherin vor dem Untersuchungsausschuss Rodalben diese Aussage macht, kämpft er mit den Tränen.

"Gitter vor den Fenstern, aber offene Zimmer - wer kann das nachvollziehen?" Das fragt Gundolf Knoll nicht nur sich, als er vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zu dem tragischen Geschehen im November 2003 im Jugendheim Rodalben aussagt. Abgeschlossene Türen, ein Mobiltelefon und Nachtwache mit Begleitung für eine Berufsanfängerin - so etwas hätte er für die Sicherheit erwartet, sagt der 60-jährige Diplom-Ingenieur mit leiser Stimme vor den Abgeordneten, die Versäumnissen bei der Konzeption und Umsetzung des Heim-Projektes für straffällig gewordene Jugendliche nachspüren. Nur wenige Wochen nach dem Start ist seine 26-jährige Tochter Christina bei der Flucht der drei Bewohner erstochen worden. Die Risiken, die seine Tochter bei ihrer ersten Stelle nach dem Studium vor allem beim Nachtdienst einging, waren dem Vater offenbar weitaus bewusster als der jungen Frau. Sogar zum Streit sei es deswegen gekommen, sagt Knoll. Er fühlt sich mitschuldig, weil er die Gefahren nicht gegenüber der Heimleitung vorgebracht hat. Das wäre der jungen Erzieherin, die mit großem Enthusiasmus gestartet war, nicht recht gewesen. Die Fachleute hätten doch die Erfahrung haben müssen, was für die Sicherheit notwendig gewesen wäre, meint der Vater anklagend. Er nimmt nicht hin, dass im Nachhinein gesagt wird, das Ganze sei nicht vorauszusehen gewesen. "Niemand übernimmt Verantwortung", stellte er enttäuscht fest. "Am Ende wird niemand schuld sein", sagt ihm seine bisherige Erfahrung. Auch vor dem offen zugänglichen Messerblock in der Küche, aus dem die Tatwaffe stammte, hatte Christina Angst, wie ihr Vater später aus Gesprächen mit ihrer Freundin erfuhr. Doch Befürchtungen, dass die Jugendlichen damit Unheilvolles anstellen könnten, wollte sie sich nicht eingestehen, glaubt Gundolf Knoll. Sie sei Betreuerin und nicht Bewacherin, hatte sie dem Vater einmal gesagt. Er hatte sehr wohl Bedenken. "Es war riskant und höchst gefährlich." Doch Gundolf Knoll fragt: "Wer denkt denn gleich an Tod?" Erzieher müssten besser geschützt werden, appelliert er an die Abgeordneten.

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