Wer ist der "böse Bartmann"?

TRIER. Vor dem Landgericht ist der Prozess gegen zwei 51 und 29 Jahre alte Männer aus Trier fortgesetzt worden. Sie sollen eine geistig behinderte junge Frau sexuell missbraucht haben.

Manchmal ist die Wahrheitsfindung ein quälendes Geschäft. "Ich weiß nicht mehr", "ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern" - auch am zweiten Prozesstag gegen die beiden Angeklagten Edgar B. (51) und Hans B. (29) muss sich die Erste Große Strafkammer mühsam vorarbeiten, um Schrittchen für Schrittchen Klarheit zu bekommen, was an jenem Juli-Abend im vergangenen Jahr geschehen ist.Die Vorwürfe gegen die beiden arbeitslosen und vorbestraften Männer sind nicht von Pappe. Sie sollen die unter dem so genannten Down-Syndrom-leidende Anja (Name geändert) mit in Edgars Zimmer genommen, sie dort entkleidet, berührt und im Genitalbereich rasiert haben. Danach gelang der völlig verwirrten 26-Jährigen die Flucht, ein Stadtbusfahrer alarmierte schließlich kurz vor Mitternacht die bereits nach Anja fahndende Polizei.Es dauerte fünf Wochen, bis Anjas mutmaßliche Peiniger gefasst waren. Die schwer geistig behinderte Frau konnte den Kripobeamten zwar noch die Straße zeigen, in der Edgars Wohnung liegt. Nur mit dem Mehrfamilienhaus vertat sie sich um einige Hausnummern. Kommissar Zufall brachte die Beamten schließlich auf die richtige Spur. Ein im Rahmen der Ermittlungen vernommener Mann erzählte einem zwei Häuser entfernt wohnenden Bekannten von der Vernehmung. Der erinnerte sich, an jenem Juli-Abend auf seinem Balkon Gesprächsfetzen und Stöhngeräusche aus einem geöffneten Fenster in der darüber liegenden Wohnung mitbekommen zu haben. "Es klang wie Sex unter Alkohol und war peinlich für mich", berichtete der Ohrenzeuge gestern vor Gericht.Letztlich waren es diese "Beobachtungen", die fünf Wochen nach der Tat zur Festnahme der Angeklagten führten. Die beiden Trierer wollten sich am ersten Prozesstag eigentlich nur noch daran erinnern, dass sie sich an nichts mehr erinnern. Zwar leugneten Edgar B. und Hans B. nicht, die junge Frau angesprochen und mitgenommen zu haben. Doch "dann bin ich in die Küche gegangen" (Edgar B.), und "ich hab' mich hingelegt" (Hans B.). Zwei selbst ernannte Unschuldslämmer auf der Anklagebank."Dann hat der Häns sie rasiert"

Gestern - am zweiten Prozesstag - lichteten sich zumindest bei Edgar B. ein wenig die Erinnerungslücken. Plötzlich fiel dem 51-Jährigen ein, dass da doch noch ein wenig mehr passiert sei an jenem Abend in seiner Wohnung. Man habe die junge Frau gemeinsam "entkleidet und gestreichelt. Und dann hat der Häns sie rasiert." Hans B. schüttelte während der Aussage seines Saufkumpans nur den Kopf: "So richtig weiß ich davon nichts mehr. Nur, dass der Edgar nachher mit ihr im Bett lag."Jetzt belasten sich die Angeklagten also gegenseitig. Von Bedeutung könnte die von einem Gutachter als glaubwürdig bezeichnete Aussage der geistig behinderten Frau sein. Sie hatte in mehreren Vernehmungen von einem "bösen Mann mit Bart" gesprochen, der sie rasiert und ihr "sehr weh getan" habe, während der andere "immer lachte". Wer von den beiden heute bartlosen Angeklagten der "Bartmann" ist, wird sich womöglich am kommenden Dienstag klären. Wahrscheinlich fällt dann das Urteil.

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