Wer teilt, gewinnt

MAINZ. Ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder lässt erheblich weniger Spannungen in zerbrochenen Familien aufkommen. Bei einem konfliktfrei geregelten Umgang mit dem Nachwuchs werden andere Probleme zweitrangig, so die Erkenntnis des Sozialforschers Professor Roland Proksch.

Scheidung ist oft eine Katastrophe: Kinder leiden oft ein Leben lang unter dem Verlust einer ehemals intakten Familie. Mütter und Väter stünden in der Verantwortung dafür, wie Kinder unter der Scheidung litten, sagte Professor Roland Proksch vom Institut für soziale und kulturelle Arbeit bei einer Fachtagung in Mainz. Gefordert sind nach seiner Auffassung allerdings auch die Familiengerichte, die verstärkt auf eine Einigung hinwirken müssten und mit schnelleren Anhörungen oder Verweisen an die Jugendhilfe dem Aufbau von starren Fronten besser begegnen könnten.Das reformierte Kindschaftsrecht sieht seit 1998 das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall an, wenn sich nicht ein Elternteil vor dem Familiengericht das alleinige Sorgerecht erstreitet. Die Abkehr von der früheren gesetzlichen Verpflichtung, das Recht einem Elternteil zu übertragen, habe zu einer erheblichen Entschärfung der Konfliktlage geführt, sagte Proksch. Die gemeinsame Sorge, heute bei 80 Prozent der Scheidungen der Fall, sorgt für mehr Zufriedenheit bei allen Beteiligten - das fand der Wissenschaftler bei der Befragung von bundesweit 8000 Eltern heraus. In zwei von drei Fällen werden Streitigkeiten durch Gespräche gelöst. Mehr als 60 Prozent der betreuenden Mütter und Väter können gut damit leben, wenn die Kinder beim Ex-Partner oder der -Partnerin sind und sehen den Kontakt positiv.Gibt es ein alleiniges Sorgerecht, wird nur ein Drittel der Streitigkeiten gütlich geregelt, jeweils rund ein weiteres Drittel über Rechtsanwälte und Gerichte oder gar nicht. Deutlich niedriger ist dann auch die Quote der Väter (27 Prozent) und Mütter (32 Prozent), die sich auch über den Kontakt der Kinder zum anderen Elternteil freuen. Die Umgangshäufigkeit ist bei gemeinsamen Sorgerecht doppelt so hoch, und die Unterhaltspflicht wird ernster genommen.Auch nach Einschätzung von Heinz-Georg Bamberger, Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz, hat das neue Kindschaftsrecht für bessere Verhältnisse gesorgt. Nach dem Motto "Schlichten ist besser als Richten" bemühten sich die Richter um Verständigung, um Sieg-Niederlage-Konstellationen zu vermeiden. Auf die Vorgabe "Kindeswohl geht vor Elternrecht" verwies Familienministerin Malu Dreyer. Sie setzt vor allem auf die Arbeitskreise "Trennung und Scheidung", in denen in mittlerweile 26 Landkreisen und Städten Familiengerichte, Anwälte, Jugendamt und soziale Beratungsstellen zusammenarbeiten, um dafür zu sorgen, dass das Wohl der Kinder bei der Scheidung nicht ganz auf der Strecke bleibt.

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