"Wie in der Dritten Welt"

Lange Schlangen vor Tankstellen, wütende Autofahrer und ratlose Politiker gehören seit mehr als zwei Wochen zum Alltag im Süden der USA. Parallel zur Bankenkrise raubt dort eine Benzinkrise den Amerikanern den Nerv.

Charlotte (North Carolina). Terrance Bragg schaltete sein GPS ein, um alle Tankstellen in der näheren Umgebung zu finden. An neun von zehn Stationen, die er abklapperte, hing ein Schild mit der Aufschrift "geschlossen". Vor der einen offenen Tanke warteten mehr als 60 Autos.

Das war zu Beginn der Benzin-Krise, die Metropolen wie Charlotte, Atlanta oder Nashville im Südosten der USA seit dem Doppelschlag der Hurrikans "Gustav" und "Ike" fest im Griff hat. Bragg erzählt einem Reporter vor Ort, sein Großvater habe ihm zuletzt mit 20 Litern ausgeholfen. In Kanistern von einer Stadt herbei gekarrt, die eine Stunde weit von Charlotte entfernt liegt.

Geschichten wie diese gibt es aus diesem Teil der USA reichlich zu berichten. Denn die Region hängt am Tropf von 15 Raffinerien entlang der Golfküste, die von "Gustav" und "Ike" stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Genauer gesagt an zwei Pipelines, die Kraftstoffe über tausende Meilen hierhin pumpen. Nach den Hurrikans stoppte der Fluss vorübergehend vollständig und hat bis heute nicht die volle Kapazität erreicht. Die wenigen Tankstellen, die noch Reserven hatten, versuchten Kasse zu machen, indem sie die Preise für die Gallone verdoppelten. "Wie in der Dritten Welt", kommentiert der frühere Speaker im US- Kongress und Einwohner Georgias, Newt Gingrich, die peinliche Situation. Peinlich deshalb, weil sie vorhersagbar war und die Politiker ihr hilflos gegenüber stehen.

Am Wochenende entspannte sich die Situation etwas, nachdem eine Pipeline wieder den vollen Betrieb aufgenommen hat. Doch vorbei ist die Krise damit noch nicht. "Bevor alles wieder normal läuft, werden noch zwei Wochen vergehen", prognostiziert der Energie-Experte Kenneth B. Medlock gegenüber der New York Times. Eine Voraussage, die mit der Einschätzung des amerikanischen Automobilclubs AAA konform geht.

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