Wie viel ist die Gemeinde wert?

Mehr als 12,5 Milliarden Euro Schulden haben die Kommunen landesweit inzwischen aufgetürmt. Um Vermögenslage und Verpflichtungen überschaubar zu machen, setzen die Gemeinden auf die kaufmännische doppelte Buchführung (Doppik). Der neue Weg kostet erst einmal Arbeit und Geld, soll sich jedoch langfristig auszahlen.

 Zu teurer Umbau? Dieses Gebäude in Bitburg, in dem künftig auch das Archiv des Eifelkreises Bitburg-Prüm untergebracht werden soll, sorgt zurzeit für einen Rechtsstreit zwischen dem Kreis und dem Land. Ein Ziel der Doppik ist es, tatsächliche Belastungen offenzulegen und mögliche Kosten künftig von vornherein überschaubar zu halten. TV-Foto: Archiv/Manfred Reuter

Zu teurer Umbau? Dieses Gebäude in Bitburg, in dem künftig auch das Archiv des Eifelkreises Bitburg-Prüm untergebracht werden soll, sorgt zurzeit für einen Rechtsstreit zwischen dem Kreis und dem Land. Ein Ziel der Doppik ist es, tatsächliche Belastungen offenzulegen und mögliche Kosten künftig von vornherein überschaubar zu halten. TV-Foto: Archiv/Manfred Reuter

Mainz. Noch vermutlich bis März müssen sich die Wittlicher Bürger gedulden, bevor sie offiziell erfahren können, wie viel ihre Stadt eigentlich wert ist. Seit mehr als zwei Jahren ist die Verwaltung im Rahmen der Umstellung auf die Doppik damit beschäftigt, Vermögen wie Grundstücke, Gebäude oder Straßen zu erfassen und zu bewerten, um eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Bei einigen Gebäuden sei man schon erstaunt, wie hoch sie nach Sanierungen oder Umbauten inzwischen anzusetzen seien, sagt Ulrich Jakoby von der Stadtverwaltung, ohne Details vorzugreifen. Schließlich müssen Wirtschaftsprüfer noch das Zahlenwerk kontrollieren.Am Ende ein vollständiger Überblick

Selbst Straßen wurden in Ausbauklassen eingeteilt, und unter Einrechnung von Herstellungskosten und Alter pro laufendem Meter auf den Euro taxiert. Rückstellungen für Beamtenpensionen müssen berechnet und als "vermindertes Eigenkapital" ausgewiesen werden, um eine Bilanz zu erstellen. Am Ende erhalten die Gemeinden erstmals einen vollständigen Überblick über ihr Vermögen und ihre Schulden und damit über ihr Eigenkapital als Betrag, der nach Abzug aller Verpflichtungen noch übrig bleibt. Bau-Investitionen oder Anschaffungskosten erscheinen dann nicht mehr als einmalige Ausgaben im Haushalt, sondern dokumentieren über die Jahre als Abschreibungen auch Werteverlust und Folgekosten. Der Haushalt wird insgesamt "ehrlicher". Was für die Kommunen gelte, müsse auch für das Land angewendet werden, um den Vorgaben der Haushaltsklarheit nachzukommen, verlangen FDP- und CDU-Opposition. Dann werde endlich das wahre Ausmaß der Verschuldung deutlich, welches Projekt wie viel koste, und dass der Beamtenpensionsfonds des Landes bislang nur Forderungen, aber kein echtes Geld enthalte, so CDU-Finanzpolitiker Gerd Schreiner. Im Landtagsplenum lehnte die SPD-Mehrheit jüngst entsprechende Anträge der Opposition jedoch ab. Zu teuer und zu wenig zusätzlicher Nutzen, lauteten die Gegenargumente. Das gesamte Landesvermögen, bei dem kaufmännische Buchführung Sinn mache, sei bereits in Landesbetrieben zusammengefasst, sagt Finanzminister Ingolf Deubel. Grundstücke und Gebäude im Wert von rund zwei Milliarden Euro (einschließlich Hochschulen) sind an den Landes-Immobilienbetrieb LBB, Straßen im Wert von 4,1 Milliarden (einschließlich Bauwerke und Grundstücke) an den Landesbetrieb Mobilität übertragen worden. Verweis auf Hessen: Kein spürbarer Effekt

Der Wald gehört zum Landesbetrieb Forsten. Auch die Pensionslasten sind laut Deubel mit einer versicherungsmathematisch berechneten absehbaren Gesamtverpflichtung von 32 Milliarden Euro bekannt. Der Finanzminister verweist gern auf das Nachbarland Hessen: Dort hat die seit zehn Jahren laufende Umstellung auf neue Steuerungssysteme in der Verwaltung bislang nach seinen Angaben rund 500 Millionen Euro verschlungen, ohne einen spürbaren Effekt zu zeigen. Ob sich die erwünschte Wirkung bei den rheinland-pfälzischen Kommunen einstellt, steht allerdings auch noch keineswegs fest. Die Haushaltslage wird sich allein durch den Systemwechsel zur Doppik, der mit erheblichen Kosten verbunden ist, nicht verbessern, schreibt der Landesrechnungshof bereits im Kommunalbericht 2006. Ob die Ziele der Reform erreicht werden, hängt nach seiner Auffassung vor allem davon ab, dass die neuen Steuerungsinstrumente auch genutzt werden und die Kommunalpolitiker die "gebotenen Entscheidungen" treffen. extra Doppik: "Doppik" ist die Abkürzung für "Doppelte Buchführung in Kontenform". Der Haushalt wird dabei nach den Grundlagen des kaufmännischen Rechnens wie in Unternehmen erstellt und arbeitet mit Erträgen und Aufwendungen. Bei der Umstellung müssen Kommunen unter anderem eine Eröffnungsbilanz aufstellen, in der ihr Vermögen erfasst und bewertet wird. In dem bislang üblichen staatswirtschaftlichen Haushalt (Kameralistik) zählten nur Einnahmen und Ausgaben. Gründe für die Abkehr von diesem (kameralistischen) System: Vermögenswerte (Gebäude, Straßen, Wald) und Verpflichtungen müssen realitätsnah erfasst werden. Abnutzbare Vermögen müssen flächendeckend abgeschrieben werden. Damit wird der Wertverlust nachvollziehbar. Durch detaillierte Kosten- und Leistungsrechnungen muss mehr Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Künftige Belastungen wie Erhaltungsaufwand oder Pensionsverpflichtungen müssen in die Planungen mit einbezogen werden. (win)

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