Wieder so eine Woche

Eine erneute Woche des Missvergnügens geht für den SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck zu Ende. Für Mittwoch hatte er 30 Hauptstadt-Korrespondenten zu einer Rundreise durch Rheinland-Pfalz eingeladen.

Berlin/Mainz. Es ist wie Heiligabend in einer zerrütteten Ehe. Gespielte Festlichkeit, bis die Stimmung explodiert. Kurt Beck hat an diesem Mittwoch 30 Hauptstadtkorrespondenten zur Rundreise durch Rheinland-Pfalz geladen. Das war schon lange geplant. Betriebsbesichtigungen, gutes Essen, nette Gespräche. Doch es sind Leute, von denen einige in Fernsehinterviews gesagt haben, Beck sei Geschichte, politisch praktisch tot. Es sind die Leute, von denen viele in der SPD denken, sie betrieben gerade einen Vernichtungsfeldzug gegen die Partei im Allgemeinen und ihren Chef ganz persönlich. Acht Stunden lang behält Beck die Beherrschung. Beim Abendessen nach zwei Glas Wein dann nicht mehr.Über Becks Wutausbruch darf nicht berichtet werden

Was der SPD-Vorsitzende auf der Wasserburg Reipoltskirchen in seiner Wut sagt, darf nicht berichtet werden. Seine Mitarbeiter erklären das Gespräch flugs für vertraulich. Der Ausbruch hat sich angebahnt. Bereits mittags grummelt Beck bei einer Betriebsbesichtigung: "Schreibt doch einfach, Beck macht alles falsch. Dann haben wir das schon mal hinter uns." Dabei hat nur einer den Firmeninhaber gefragt, was er von Beck hält. Die Nerven liegen blank. Kurt Beck erlebt wieder eine Woche des Missvergnügens. Ihm geht es wie derzeit Mario Gomez. Selbst die Todsicheren gehen nicht rein. Am Montag verkündet der SPD-Vorsitzende in Berlin ein Programm gegen Kinderarmut. Doch berichtet wird darüber kaum. Berichtet wird, dass Beck im Parteipräsidium geschimpft haben soll über ein Interview von Andrea Nahles. Berichtet wird, dass betretenes Schweigen geherrscht habe. Und berichtet wird auch, dass Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister, bereits Vertraute beauftragt habe, für ihn ein Wahlprogramm auszuarbeiten, für seine Kanzlerkandidatur. Keine dieser Meldungen ist richtig. Bei manchen Medien ist die Sorgfalt mit den Skrupeln auf Null gesunken. Eine Zeitung vermeldet zum Beispiel, dass Ingrid Apel, die Frau des früheren Verteidigungsministers, aus der SPD ausgetreten sei. Aber das war vor zehn Jahren. "Forsa" teilt mit, dass sich 31 Prozent der SPD-Anhänger auch Andrea Nahles als Kanzlerkandidatin "vorstellen" können. Wahrscheinlich könnten sich genauso viele auch Bastian Schweinsteiger "vorstellen", wenn sie danach gefragt würden. Die SPD ist derzeit Jagd-objekt, wie Schweißhunde suchen viele nach Blutspuren der waidwunden Partei. Die andere Seite des Problems ist: Sie werden immer wieder fündig. Martin Stadelmeier, Becks Staatskanzleichef, ist da illusionslos. "Unsere Leute geben dem Affen immer wieder Zucker", sagt er. Und spricht von "Unbedarftheiten", bis in die Spitze. Stadelmeier meint die Wochenend-Interviews, mit denen die missvergnüglichen Wochen des Kurt Beck meistens beginnen. Andrea Nahles zum Beispiel wird am Montag zitiert, sie habe die SPD als "versetzungsgefährdet" bezeichnet. "Spiegelonline" macht daraus sogar "nicht versetzungsfähig". Das zieht heftige Debatten in der Partei und neue Meldungen nach sich. Dabei findet Beck das Interview völlig in Ordnung und hat ganz andere gemeint mit seiner Bemerkung im Präsidium, er sei es leid, immer die Scherben des Wochenendes aufsammeln zu müssen. Aber es sind nicht nur die Unbedarftheiten. In der Partei tobt, sagt der rheinland-pfälzische Abgeordnete Gustav Herzog, eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Linken und Rechten um die Reformen der Agenda 2010. "Und Beck steht dazwischen." Wie zum Beweis platzt eine neue Meldung in Becks Rundreise. "Hochrangige" linke SPD-Abgeordnete hätten ein "Geheimtreffen" mit Vertretern der Linkspartei gehabt. Tatsächlich waren es, wie sich herausstellt, ein paar Hinterbänkler, tatsächlich war das Treffen lange angekündigt. Aber der Affe hat wieder Zucker. Andere sind disziplinierter. Frank-Walter Steinmeier hat bei seiner China-Reise drei Tage lang 20 Hauptstadtjournalisten auf engster Tuchfühlung um sich und schweigt eisern. Erst auf dem Rückflug am Sonntag ist er bereit, über die Lage der SPD zu reden. Aber was er antwortet, ist so nichts sagend, dass es nicht einmal lohnt, Notizen zu machen. Steinmeier lässt sich nicht in die Karten gucken.Stimmung in der SPD darf nicht noch schlechter werden

Am Dienstag versucht der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck die Abgeordneten in Berlin dagegen zu immunisieren, die Stimmung in der bevorstehenden Sommerpause weiter zu verschlechtern. Er legt ihnen ein 31-seitiges Argumentationspapier vor, aus dem für alle Politikfelder hervorgeht, welche Leistungen und Pläne die Partei vorzuweisen hat. Eine durchaus imposante Liste. Man müsse endlich zu den Inhalten kommen, endlich auch die Aufmerksamkeit auf die CDU und Angela Merkel richten, wo es kräftig krache. Aber in den Zeitungen wird über diese hinter verschlossenen Türen gehaltene Rede nur berichtet, dass Struck sich verärgert über Interviewäußerungen gezeigt und damit "offenbar" Nahles gemeint habe. Und dass Finanzminister Peer Steinbrück von einigen aus dem linken Flügel kritisiert worden sei, weil er sich skeptisch zum Konzept der Altersteilzeit geäußert habe. Die SPD kann derzeit machen was sie will. Nichts gelingt ihr. Wie Mario Gomez.

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