Windel wechselnde Weicheier

TRIER. Väter sind immer noch Randfiguren in der Erziehung, sagt der Journalist und Autor Thomas Gesterkamp. Er plädiert für eine Gesellschaft, die Zeitsouveränität höher bewertet als den vollen Terminkalender. Im Rahmen einer Serie stellt der TV verschiedene Väter-Typen vor.

Seit Jahren beschäftigt sich Thomas Gesterkamp mit dem Thema Väter und Arbeit. Nach Meinung des Kölner Autors von "Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf und Familie" fehlt das starke Geschlecht in der Erziehung, sowohl in privaten als auch in öffentlichen Bereichen. "Viele Väter flüchten in die Arbeit", sagt Gesterkamp über seine Geschlechtsgenossen. Den Grund, dass Männer lieber die Brötchen verdienen als Fläschchen zu geben sieht der Autor darin, dass der klar strukturierte Arbeitsplatz eher dem männlichen rationalen Umgang mit der Welt entspricht. Die Forderung und der Wille, dass Männer sich stärker der Familienarbeit widmen, ist seiner Meinung nach nur möglich, wenn das mit einem Weniger an Erwerbsarbeit einhergeht. Damit gerät jedoch ein zentraler Pfeiler des gängigen Männlichkeitsbildes ins Wanken: die Funktion des Vaters als Hauptversorger der Familie. Immer noch nehmen nur wenige Männer die Elternzeit in Anspruch oder reduzieren ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie. Das hat laut Gesterkamp vielfältige Ursachen: Reduzierte Vollzeitbeschäftigung klingt in den Ohren vieler Männer und auch Frauen immer noch nach Versagertum und Windel wechselnden Weicheiern. Und Unternehmen und Politiker blockieren neue Arbeitsmodelle. "Die wollen aus erzieherischen Gründen keine Teilzeitmodelle. Sie wollen, dass die Arbeitnehmer immer verfügbar sind und sich mit dem Unternehmen voll identifizieren", so Gesterkamp. "Dass der 14-Stunden-Arbeitstag jede Menge Leerlauf enthält wollen sie nicht sehen." Leistung wird in Stunden gemessen und weniger an Arbeitsergebnissen. Karrieren werden nach 17 Uhr entschieden. Doch auch mit den eigenen Frauen müssen sich vor allem die so genannten "neuen Väter" auseinandersetzen. "Der Versuch von Männern, ihre Zuständigkeit und Arbeitsbereiche in der Familie zu erweitern, wird oftmals von Frauen als Bedrohung und das Eindringen in das eigene ‘Revier' empfunden", weiß Gesterkamp. Der "Väter-Experte" ist sich sicher, dass Männer bei einem Familien orientierten Leben viel gewinnen können: Zum einen könnten stabile Beziehungen zu den Kindern aufgebaut werden, was dem"Distanzvater" nur selten gelingt. Zum anderen kann das Organisieren des Alltags erlernt und neu entdeckte vielfältige Seiten können gelebt werden. Laut Gesterkamp ebnet dieser Lebensentwurf den Männern den Weg vom Arbeitsmann zum ganzen Menschen. "Beide Geschlechter sollten den Zugang zu möglichst vielen Lebensbereichen haben", fordert Gesterkamp. Damit Väter zu Hause nicht länger die zweite Geige spielen, sieht der Autor den Königsweg in der Schaffung von Arbeitsmodellen, die es Männern und Frauen ermöglichen, Familienarbeit zu leisten und Karriere zu machen. Zu Bedenken gibt Gesterkamp, dass hinter der Massenarbeitslosigkeit ein ungelöster Geschlechterkonflikt steht, von dem in Politikerrunden, Gewerkschaftszirkeln oder Bündnisgesprächen fast nie die Rede ist: "Die im Rückblick idealisierte Vollbeschäftigung in Deutschland zwischen 1960 und Mitte der siebziger Jahre war eine Vollbeschäftigung für Männer. Das männliche Erwerbskonzept ‘Ein Leben lang ununterbrochen Vollzeit', setzt ein weibliches Pendant voraus, das derweil die Arbeit des Alltags erledigt." So unsicher und konfus die Vaterrolle auch geworden sein mag, eines - meist zu wenig beachtet - geben erwerbstätige Väter ihren Familien auf alle Fälle: Geld. Ob es wirklich stimmt, dass so viele Männer mit so wenig zufrieden sind, bezweifelt der Vater einer Tochter. Das Buch von Thomas Gesterkamp und Dieter Schnack "Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf und Familie" ist im Rowohlt Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.

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