Windkraft-Lobby rotiert: Land beharrt auf schärferen Regeln

Irrel/Mainz · Das rheinland-pfälzische Innenministerium will die strikten Vorgaben für neue Anlagen durchwinken. Gemeinden warnen vor Milliardenverlusten, die Industrie droht mit Klage.

Enno Harms graust es oft, wenn er durch die Eifel blickt. Ein Windrad sei an das andere gereiht, wie eine Mauer sehe das aus", sagt Harms, der Vorsitzender der Bürgerinitiative in der Verbandsgemeinde Südeifel ist, in der sich Menschen gegen die riesigen Rotoren wehren. 37 Anlagen stehen in der Kommune, gut 50 Windräder sollten noch dazukommen, wenn es nach dem Wunsch von Bürgermeister Moritz Petry (CDU) gegangen wäre. Doch daraus wird nichts. Das Land hat die Vorgaben, Windanlagen zu errichten, mit einem neuen Entwurf des Landesentwicklungsplans bereits im September verschärft. Und es will diesen Plan auch durch das Kabinett am 4. Juli bringen, damit er rechtlich gültig ist.

Steffen Wehner, Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, sagt dem TV, dass das Land 780 Stellungnahmen geprüft habe. Diese kamen von Gemeinden, Naturschützern, Windkraftgegnern und der Wirtschaft. Das Ergebnis: Es sei zu "keinen substanziellen Änderungen an den im Entwurf vorgesehenen Grundsätzen und Zielen gekommen." Das heißt: Gehen die Änderungen wie zu erwarten durch, was selbst Kritiker erwarten, dürfen Kommunen die Windräder nur noch mit einem Abstand von mindestens 1000 Metern zu Wohnsiedlungen bauen. Bislang betrug der vorgegebene Abstand 800 Meter. Auch die Kernzonen von Naturparks sind für Windräder tabu, was beispielsweise in der Verbandsgemeinde Kell (Kreis Trier-Saarburg) den Bau von 13 Windrädern gefährden würde.

In vielen Gemeinden herrscht Unmut, weil die Genehmigung von Flächennutzungsplänen seit Monaten auf Eis liegt, aus Ungewissheit. Die Südeifel hatte so mit geringeren Abständen geplant. Moritz Petry wirft dem Land einen "Schildbürgerstreich" vor. Während das Innenministerium von einer "breiten kommunalen Zustimmung" spricht, die sich aus den Stellungnahmen ergeben habe, widerspricht Winfried Manns, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Städte- und Gemeindebundes. Der ehemalige Bürgermeister der Verbandsgemeinde und Stadt Konz spricht von einem Schaden von 1,4 Milliarden Euro, der den rheinland-pfälzischen Gemeinden in den kommenden 20 Jahren entstehe - durch verpuffte Planung und fehlende Einnahmen von den Windrädern. Den Grund für die Politikwende sieht er in der Regierungsbeteiligung der FDP, die ihre Wahlversprechen erfüllen müsse. Die rot-grüne Vorgängerregierung habe dagegen Freiheiten gewährt, auf die sich die Gemeinden bis heute verlassen hätten, kritisiert er.

Hart bleibt das Land auch gegenüber der Wind-Lobby, die jüngst in Mainz noch einen Kurswechsel der Politik bei den Windplänen gefordert hatte. Der Landesvorsitzende Ciro Capricano vom Bundesverband der Windenergie droht nun: "Wenn sich an den großen Pflöcken nichts ändert, werden wir rechtlich vorgehen, weil sie nicht gesetzeskonform sind." Er zweifele an, dass das Land seine Klimaziele mit den neuen Plänen erreicht.

Windkraftgegner Enno Harms sagt hingegen, er sei froh, dass das Land nicht vor der Windkraft-Lobby einknicke. "Es steht mit unserer Landschaft und der Natur zu viel auf dem Spiel", findet der Windkraftgegner, der sich weitergehende Einschränkungen erhofft hatte. Wie auch Siegfried Schuch, Vorsitzender des Naturschutzbundes. Er kritisiert die Windpolitik im Land generell: "Sinnvoll wäre eine Konzentration auf Windparks und nicht auf eine Belastung der gesamten Landschaft." In der Region Trier stehen derzeit 496 Windräder, 46 sind im Bau, bei 186 entscheidet sich noch die Genehmigung.

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