"Wir klammerten uns an jeden Strohhalm"

Ich bin Jahrgang 1932, war beim Kriegsende also 13 Jahre alt. Am 27. Februar 1945 waren die Amerikaner in mein Heimatdorf Alsdorf eingerückt.

"Wir klammerten uns an jeden Strohhalm"
Foto: (g_pol3 )

Endlich war die Zeit der todbringenden Granaten, der umherkreisenden Jabos (Jagdbomber) zu Ende. Auch zu Ende waren die Nächte, in denen wir im Keller unsere Betten auf den geernteten Kartoffeln hatten. Man fühlte sich erlöst und befreit.
Aber noch wartete die Familie auf den Bruder, der am 23. Juli 1943 im Raum Orel in Russland als vermisst gemeldet worden war. Die bange Frage war: Lebt der Sohn und Bruder noch? Wird er vielleicht doch noch nach Hause kommen? Es wurden Adressen von ehemaligen Kameraden ausfindig gemacht und angeschrieben, ob sie den Bruder kennen und Auskunft über ihn geben könnten. Dem "Deutschen Suchdienst" wurden Feldpostnummer und Name übermittelt und in der Zeitung eine Anzeige geschaltet (Foto). Ohne Ergebnis. Ein ernstzunehmender Mann riet der Familie, einen Hellseher zu beauftragen, der über das Schicksal des Vermissten Auskunft geben könnte. Man klammerte sich an jeden Strohhalm. Der Hellseher "verriet", der Vermisste lebe in Russland und es gehe ihm gut; er würde bald heimkommen. Der Hellseher freute sich über die Lebensmittel, die er als Bezahlung erhielt.
Mein Bruder kam nie aus dem Krieg zurück.
Heinrich Ewen, Wittlich

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