Wirtschaft läuft Sturm gegen das "Arbeitslosengeld Q"

Berlin · Berlin Bis zu vier Jahre lang könnte nach SPD-Überlegungen ein älterer Arbeitsloser das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld I beziehen, wenn darin eine zweijährige Umschulung oder Qualifizierung eingeschlossen ist, auf die der Betroffene einen Rechtsanspruch bekommen soll. Jüngere Arbeitslose kämen immerhin noch auf einen Leistungsbezug für insgesamt drei Jahre.

Derzeit sind es inklusive Weiterbildung höchstens zwei Jahre.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht dieses SPD-Vorhaben völlig an den Problemen des Arbeitsmarktes vorbei. "Das Konzept dient nur der verschleierten Verlängerung des Arbeitslosengeldes I", hieß es am Montag in der Chefetage der BDA. Als besonders ärgerlich empfindet man dort den geplanten Rechtsanspruch auf Qualifizierung. Das werde bei Betroffenen nur "die Orientierung verfestigen", ihre Arbeitslosigkeit "so lange wie möglich relativ großzügig alimentiert zu bekommen", heißt es in einem aktuellen Positionspapier der BDA, das unserer Redaktion vorliegt.

Dabei müsste die Wirtschaft eigentlich brennend an gut qualifiziertem Personal interessiert sein. Aus Sicht ihres Lobbyverbandes weiß man sich dabei allerdings weitgehend allein zu helfen. Dem BDA-Papier zufolge investieren Unternehmen in Deutschland schon jetzt 33,5 Milliarden Euro pro Jahr in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten. 86 Prozent aller Betriebe seien hier engagiert. Zum Vergleich: Im Etat der Bundesagentur für Arbeit sind etwa zwölf Milliarden Euro für Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen reserviert.

Nach Einschätzung der Arbeitgeber sind die Empfänger von Arbeitslosengeld I ohnehin nicht wirklich das Problem. So sei die durchschnittliche Bezugsdauer seit 2005 von 27,7 auf 17,4 Wochen gesunken. Will heißen: Nach vier, fünf Monaten haben die meisten wieder einen Job. Auch handele es sich bei den Betroffenen nur zu 25 Prozent um Geringqualifizierte. 75 Prozent hätten mittlere und höhere Abschlüsse. Unter den arbeitsfähigen Empfängern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) hätten das nur 42 Prozent. Statt staatlich geplanter Weiterbildung durch eine Behörde brauche man eine zukunftsfähige Arbeitsmarktpolitik, die auf Individualisierung und Passgenauigkeit der Vermittlung und Fördermaßnahmen "insbesondere in der Grundsicherung" setze, heißt es in dem Positionspapier.

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wies den Aufschrei der Wirtschaft gestern kategorisch zurück. Das Argument, die Betriebe selbst könnten besser qualifizieren, ziehe nicht, wenn es die Betriebe gar nicht mehr gebe. Und das sei durch die Digitalisierung künftig für ganze Branchen der Fall. "Diese Beschäftigten haben Wissen und Fähigkeiten, die durch Weiterbildung für andere Aufgaben genutzt werden können", meinte der SPD-Politiker.

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