Wo bitte geht's zur Sonnenseite?

TRIER. Lebensglück im Alter? Das bedeutet für die einen, sich noch selbst versorgen können, vielleicht auch noch verreisen können. Für die anderen ist Lebensglück im Alter, einfach nur gesund zu sein und auf ein erfülltes Leben zurückzuschauen.

Rein biologisch gesehen, ist das Alter eine brutale Lebenszeit. Denn biologisch braucht die Gattung Mensch das Alter nicht. Die Dynamik, die bis dahin durchs Leben führte, fällt aus. Zur Art-Erhaltung reicht es, Kinder zu zeugen und zu erziehen, bis sie zu ihrer Selbsterhaltung fähig sind. Das quittiert der Körper dem Menschen unmissverständlich: Nach dem Ende der Phase, in der Menschen Nachwuchs bekommen können, fährt der Organismus seinen genetisch gesteuerten Schutz vor Erkrankungen runter, sagt Dr. Rainer Scheel, Chefarzt der Geriatrie der Sonnenbergkliniken Saarbrücken. Alter hat nicht notwendig mit Krankheit zu tun, aber der Mensch wird anfälliger für sie. "Es ist", sagt Scheel, "die Phase, in der wir von unseren Kräften zehren." Das Wohlbefinden im Alter hängt davon ab, wie ein Mensch lebt - medizinisch, sozial, geistig, finanziell. Scheel: "Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der Gesundheit eines Menschen im Alter genetisch festgelegt und satte 30 Prozent von seinem Verhalten abhängig sind." Viel Spielraum also, um mit zu gestalten für den Lebensabend, der inzwischen dank veränderter Lebensgewohnheiten und medizinischen Fortschritts ein Viertel, manchmal ein Drittel des Lebens ausmacht. Gelöst vom Tagwerk, relativ gesund und materiell gesichert tritt der Mensch nun seine "späte Freiheit" an. Altersforscher wie Professor Paul Baltes sehen ein eigenständiges drittes Lebensalter entstehen, zwischen 60 und 80 Jahren. Dieses Lebensalter könne "goldene" Qualitäten haben - im Unterschied zum neuen vierten Lebensalter bis vor dem Tod. Die Todesnähe wird im dritten Lebensalter verschoben. Pure Lebensverschwendung, sich allein mit den "Senioren-Aktivitäten" zufrieden zu geben, die mit den "Jungen Alten" vor 25 Jahren erfunden wurden: kurzweilige Zerstreuung und zeigen, was man noch kann. Wie findet einer den Weg zur Sonnenseite seines Alters? "Ich habe doch mit 50 nicht darüber nachgedacht, wie es mal im Alter werden kann", wundert sich Erna Weiler, 80. Längst nicht alle alten Menschen sind so zufrieden wie sie, die zumindest im Alter auf der Sonnenseite lebt: "Ich stand 50 Jahre mit dem Gemüse auf dem Markt. Das hat Spaß gemacht, und daran denke ich gern zurück. Heute bin ich gesund, wir teilen uns das Geld ein, es reicht immer noch für das Tässchen Kaffee extra." Wegweiser zur Sonnenseite im Alter gibt es noch nicht. Kein Königsweg führt in ein glückliches Alter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort