Wonnige Winzer, betrübte Bauern

TRIER. Die aktuellen Reifemessungen bestätigen den äußeren Eindruck: Die Trauben sind Mitte September außerordentlich gut entwickelt. Die Chancen für einen weiteren ausgezeichneten Weinjahrgang stehen bestens. Weniger gut als bei den Winzern ist die Stimmung unter den Landwirten: Ihre Ernte ist eher schlecht ausgefallen, hinzu kommen Tiefpreise.

Jeweils montags schwärmen im September und Oktober die Weinbauberater aus, um in ausgesuchten Weinbergen den Reifegrad der Trauben zu messen. Dann vergleichen sie die in Oechslegraden angegebenen Werte mit denen der Vorjahre. Die aktuellen Ergebnisse zeigen: Der 2005er ist auf dem besten Weg, ein großer Jahrgang zu werden. Der spätreifende Riesling bringt Mitte September im Durchschnitt bereits 65 Grad Oechsle auf die Mostwaage, in Spitzenlagen kommt er sogar an die 80 Grad heran. Der früher reifende Müller-Thurgau kommt auf 70 und der Spätburgunder auf 73 Grad Oechsle. Das sind höhere Werte als in den Jahren 2000, 2001, 2002 und 2004. Allein im Hitzejahr 2003 waren die Trauben zum gleichen Zeitpunkt noch etwas süßer. In diesem Jahr hat es aber in den meisten Lagen genügend Niederschläge gegeben, so dass neben hohen Mostgewichten auch stabile Fruchtsäuregehalte zu verzeichnen sind - beste Voraussetzungen für edle Weine mit einer frischen Frucht. Anfang kommender Woche werden wohl die ersten Müller-Thurgau-Trauben gelesen. Mit dem Riesling können die Winzer noch einige Wochen warten. Die Mengenerwartungen sind in diesem Jahr ebenfalls viel versprechend. Experten rechnen mit einem Hektar-Ertrag an der Mosel von 100 bis 110 Hektoliter. Das würde an der Mosel eine Gesamtmenge von etwa einer Million Hektoliter ergeben - eine Menge, die der Markt problemlos aufnehmen kann. Bundesweit wird mit einer Erntemenge von zehn Millionen Hektolitern gerechnet. "Damit würden wir uns ziemlich genau am langjährigen Mittel bewegen", sagt Armin Göring vom Deutschen Weininstitut in Mainz. Den rheinland-pfälzischen Getreide-Bauern hat das Wetter dagegen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Wegen des verregneten Sommers sank ihre Ernte im Vergleich zu 2004 um 15 Prozent. 1,35 Millionen Tonnen wurden nach Angaben des Statistischen Landesamts in Bad Ems insgesamt eingebracht. Damit liegen die Erträge um fünf Prozent unter dem Schnitt der vergangenen sechs Jahre. "Ich bin froh, dass diese Zahlen vom Statistischen Landesamt kommen - sonst hieße es wieder, wir Landwirte jammerten", scherzt Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Er spricht von einer "mittleren Ernte". Einige Landwirte seien durch Hagel schwer geschädigt worden, vor allem in Hunsrück und Taunus, vereinzelt aber auch in der Eifel. Bei fast allen Getreidearten verzeichne man Einbußen - mit Ausnahme der Wintergerste: Hier seien die Erträge um 2,2 Prozent gestiegen. Blums einziger echter Lichtblick ist der Raps: Gegenüber 2004 wurden diesmal 18,8 Prozent mehr geerntet. Der Bauernpräsident führt das auf bessere Züchtungen und die für Raps günstige Witterung zurück. Auch qualitativ entspreche die diesjährige Ernte nicht den Erwartungen, sagt Blum. Viele Pflanzen hätten wegen des schlechten Wetters nicht zeitgemäß eingebracht werden können. "Die Ernte hat sich über eineinhalb Monate hingezogen. Darunter leidet das Getreide natürlich." Das eigentliche Problem aber, unterstreicht Blum, seien die "miserabel schlechten Preise". Sie bewegten sich ohnehin seit geraumer Zeit im Keller. Nun komme hinzu, dass ein Teil der quantitativ guten Ernte vom vergangenen Jahr noch in den Lagern liege. Das eröffne Raum für Spekulationen: "Wenn Bauern ihre Ernte nun aus Platzgründen verkaufen müssen, wird das ausgenutzt." "Manche Getreidebauern legen drauf"

Wie prekär die finanzielle Situation einiger Landwirte ist, rechnet Blums Presse-Referent Herbert Netter vor: Bei Preisen von zehn Euro pro Dezitonne Getreide erhielten sie etwa 600 Euro pro Hektar Ackerfläche - damit legten sie teilweise drauf. "Gehen wir dennoch von 50 Euro Gewinn pro Hektar aus, müssen mehr als vier Hektar geerntet werden, um eine Tankfüllung für den Traktor zu bezahlen." Ein Silberstreif am Horizont der Landwirte ist - wie schon bei der Erntemenge - auch in Sachen Finanzen der Raps. Die Preise zögen derzeit an, sagt Blum. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um alternative Energien gebe der Raps "ein bisschen Hoffnung". Optimistisch blickt der Bauernpräsident auch der noch ausstehenden Mais- und Rüben-Ernte entgegen: "Der Mais sieht hervorragend aus, und auch der Entwicklungsstand der Rüben ist gut."

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