Zu schnelle Reife?

MAINZ. Hessen, aber auch Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen die Mittlere Reife im Turbo-Tempo von neun Jahren ermöglichen. Andere Länder sind dagegen. Rheinland-Pfalz warnt vor "Schnellschüssen".

In Hessen wird das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt. Für die Landesregierung soll logischerweise deshalb auch die Mittlere Reife an Gymnasien - anders als an Realschulen - bereits nach der 9. Klasse geschafft sein. Im Schulausschuss der Kultusministerkonferenz diskutieren derzeit Beamte über den Reformplan, dem sich Baden-Württemberg und Niedersachsen anschließen wollen. Zumindest möchten diese Länder eine "Kann-Bestimmung", weil eine bundeseinheitliche Regelung derzeit - wie schon bei der Rechtschreibreform - als völlig unwahrscheinlich gilt. Stuttgarts Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hält zwei Geschwindigkeiten zur Mittleren Reife - nach neun Jahren am Gymnasium, nach zehn Jahren an der Realschule - für einen interessanten Leistungsfaktor. Im Mainzer Bildungsministerium warnt Vera Reiss-Jung als Sprecherin von Ressortchefin Doris Ahnen (SPD) vor einer Schnellschuss-Politik in einem "komplizierten Geschäft". Außerdem will sie an der Durchlässigkeit im Schulsystem nicht rütteln und es weiter ermöglichen, dass Haupt- und Realschüler mit einem guten Mittlere-Reife-Abschluss auch zum Gymnasium wechseln können. Das Ministerium sieht in Rheinland-Pfalz derzeit keinen Handlungsbedarf, weil (noch) das Abitur nicht nach zwölf, sondern in einer verkürzten Oberstufe nach 12,5 Jahren möglich ist. Das könnte sich ändern, wenn die FDP nach der Landtagswahl wieder Koalitionspartner ist und ihr Wahlziel durchsetzt, das Abitur nach zwölf Jahren zur Regel zu machen. FDP-Fraktionschef Werner Kuhn sieht die Problematik bei der Frage, ob das Schuljahr in der Oberstufe oder vorher gespart werden soll. In der laufenden Programmdiskussion kommt es ihm auf eine "intelligente Lösung" an. Allerdings lehnt Kuhn einen "rheinland-pfälzischen Sonderweg" ab. Alle Bundesländer müssten einen gemeinsamen Weg finden, wie sich ein Abitur nach zwölf Jahren organisieren lässt. Ein bildungspolitischer Flickenteppich benachteilige Schüler schon beim Umzug von Mainz nach Wiesbaden. Für die noch an den Koalitionsvertrag gebundene FDP steht aber auch fest: Rheinland-Pfalz muss sich von der "Insel-Lösung" verabschieden, weil sich das Abi nach 12,5 Jahren "bundesweit nicht durchgesetzt hat".

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