Zuhören und ablenken

BITBURG/SPANGDAHLEM. Mehr als Tausend Spangdahlemer Soldaten hat die US-Luftwaffe bereits in das Kriegsgebiet geschickt. Zurückgeblieben sind mehr als hundert Ehefrauen, Ehemänner und Kinder. Um ihre praktischen Sorgen und die persönliche Betreuung kümmert sich auf der Air Base eine eigene Einrichtung.

Es fällt schwer, sich hier zu konzentrieren. Kleine Mädchen hüpfen kichernd auf einem Trampolin auf und ab. Zwei Jungen schauen einen Disney-Film. Andere Kinder essen Popcorn, spielen Ball, lassen sich schminken, malen ein Bild oder toben durchs Zimmer. Ein Vergnügungspark im Kleinen. Doch die Kinder haben alle eines gemeinsam: Vater oder Mutter hat sie verlassen, um im Irak Krieg zu führen. Ölwechsel, Babysitting, Zuwendung

Es ist "deployed family day", ein Tag für Angehörige von Soldaten, die im Einsatz sind. Mehr als 100 Kinder, Jugendliche, Mütter und Ehefrauen sind gekommen. Das Programm findet im "Family Support Center" auf der Bitburger Housing statt, einer Einrichtung, die Familien von Militärangehörigenbetreut. Für Jane Allen ist es ein stressiger Tag. Haben die Kinder ausreichend Papier? Welcher Kuchen ist jetzt im Ofen? Die 32-Jährige betreut seit zweieinhalb Jahren die Soldaten-Familien in Bitburg und Spangdahlem. Sie legt Wert darauf, alle Mütter und Ehefrauen persönlich zu begrüßen. Dabei hätte sie wahrscheinlich gern ein wenig mehr Zeit für ihr Privatleben. Ihr Mann hat den Status "auf Abruf" - er könnte jederzeit ins Krisengebiet geschickt werden. Während die Kinder in dem Raum für die Kleineren ein Chaos anrichten, unterhalten sich ihre Mütter im Flur. In einem großen Konferenzraum sitzen kleine Gruppen von Erwachsenen, essen und reden. Der Militärpfarrer schaut vorbei, grüßt, drängt sich nicht auf, geht weiter. In dem Telefon-Zimmer sitzt eine Mutter mit drei Kindern. Sie führen ein Ferngespräch mit dem Vater. "Wir wollen die Angehörigen von ihren Ängsten und Sorgen ablenken", sagt Jane Allen. Es sei auch eine Möglichkeit für Mütter und Ehefrauen, miteinander in Kontakt zu kommen. Viele hätten sich schon vor Monaten von ihren Ehemännern verabschiedet und sehnten sich nach Gesprächen mit anderen Erwachsenen. Jane Allen koordiniert viele praktische Hilfen. Das Center stellt zum Beispiel Telefon-Karten, Gutscheine für einen Ölwechsel oder für Kinderbetreuung aus, vermittelt Babysitter, nennt in finanziellen oder rechtlichen Fragen die richtigen Ansprechpartner. Zu den Aufgaben zählt aber auch die persönliche Betreuung der Angehörigen. "Jeder soll wissen, es gibt uns und wir sind für ihn da", sagt Allen. Diese persönliche Betreuung übernehmen andere Ehefrauen und Ehemänner - die so genannten "Key Spouses". Sie melden sich freiwillig für die Aufgabe, erhalten ein Training und der jeweilige Kommodore einer Staffel muss sie für geeignet halten und ernennen. Eine besondere Rolle übernimmt die Frau des Staffel-Kommodores: Sie ruft in der Regel als erste bei den Angehörigen an, fragt, ob sie zurecht kämen und hält meist wöchentlich Kontakt. "Viele Angehörige durchlaufen Phasen", sagt Kimberly Winters. Sie hat ihren Ehemann vor einer Woche verabschiedet. Was er macht oder wo er ist, will sie nicht sagen. Seit zweieinhalb Jahren betreut sie Angehörige. "Manchmal sehnen sie sich nach Aufmerksamkeit, manchmal wollen sie in Ruhe gelassen werden." Da sie in zwei Gruppen aktiv ist, hat sie ein Auge auf fast 50 Ehefrauen und Ehemänner. Mehrere Stunden spricht sie täglich mit Angehörigen. Das Konzept ist simpel: Zuhören. "Ich rufe an und beginne ein Gespräch." Es kommt vor, dass einzelne Telefonate eine Stunde überschreiten. "Wir reden über alles Mögliche. Bevor ich auflege, frage ich direkt: Ist bei dir alles in Ordnung? Kann ich dir irgendwie helfen?" Auch Politik ist hin und wieder ein Thema. Bilder von brennenden US-Flaggen und Anti-Kriegs-Demonstrationen in Deutschland gehen nicht spurlos an den Familien vorbei. "Die meisten Ehefrauen und Ehemänner kommen damit zurecht. Sie wissen, dass Menschen Meinungen unterschiedlich äußern." Diskutiert wird darüber nicht. "Wir lassen uns nie auf Grundsatz-Debatten ein", sagt auch Larry Kent. Einige suchen die Isolation

 "Kommst Du zurecht?" Jane Allen (rechts), Angehörigen-Betreuerin, spicht mit der Ehefrau eines US-Soldaten. Foto: Jennifer Falk

"Kommst Du zurecht?" Jane Allen (rechts), Angehörigen-Betreuerin, spicht mit der Ehefrau eines US-Soldaten. Foto: Jennifer Falk

Er ist einer der wenigen Männer im Betreuungsteam. Seine Frau ist vor zwei Tagen abgereist. Sie arbeitet in einer Versorgungseinheit. "Die meisten wollen auch gar nicht diskutieren. Sie wollen nur, dass jemand ihnen zuhört." Hat er das Gefühl, dass jemand mit starken Zweifeln an der Aufgabe des Gatten kämpft, sich zu sehr über politische Entwicklungen aufregt oder mit der Angst nicht zurecht kommt, verweist er die Person an den Militärpfarrer oder an einen psychologischen Dienst. "Wenn Du merkst, dass die Gespräche zu intensiv werden, musst Du aussteigen und die Person weiterleiten." Meistens gehe es in den Gesprächen aber um Kinderbetreuung. "Ich habe keine Minute mehr für mich. Meine Kinder verlangen mir alles ab. Ich würde gerne in aller Ruhe mit anderen Erwachsenen reden", hört Kent oft. In solchen Fällen organisiert er Gutscheine für eine kostenlose Kinderbetreuung und vermittelt Kochkurse, Bowling-Abende Kaffee-Kränzchen oder Ausflüge. Er weiß aber auch: Nicht jeder will das. Einige Angehörige von Soldaten reagieren auf den Betreuungs-Anruf mit Ablehnung: "Rufen Sie mich bitte nicht an." Das sei selten, komme aber vor. "Jeder ist anders", sagt Kent. "Manche kommen lieber allein mit der Situation zurecht."

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