Teufelskreis Armut: 25-jähriger Trierer will letzten Ausweg nutzen

Trier · Arbeitslose sind mit einem Anteil von 57,6 Prozent die größte Gruppe der von Armut betroffenen Menschen in Deutschland. Besonders die steigende Zahl der Jugendlichen macht Sozialpolitikern und Verbänden Sorgen. Es ist eine Teufelsspirale, aus der Betroffene nur schwer ausbrechen können.

 Patrick Reifenberg an der Drehbank beim Bürgerservice. Er hofft, nach dieser Schulung endlich einen Ausbildungsplatz zu finden und der Armut zu entkommen.

Patrick Reifenberg an der Drehbank beim Bürgerservice. Er hofft, nach dieser Schulung endlich einen Ausbildungsplatz zu finden und der Armut zu entkommen.

Foto: Rainer Neubert

Patrick Reifenberg träumt von einem Leben ohne Not. "Ich brauche nicht viel. Dass ich nicht jeden Tag schauen muss, wie ich rumkomme, das wäre schon etwas." Im Qualifizierungsprojekt PraxisCenter beim Bürgerservice Trier erhält der 25-Jährige seit Januar nicht nur eine Auffrischung und Vertiefung seiner Kenntnisse. Es geht auch darum, das Selbstbewusstsein des jungen Mannes wieder aufzubauen, der so oft mit Bewerbungen gescheitert war, bis er entmutigt und nach diversen Gelegenheitsjobs im Hartz IV-Bezug gelandet war.

Projektleiter Martin Müller hält Reifenberg für einen Aspiranten, der es schaffen könnte, zu dem erlauchten Kreis der Projektteilnehmer zu gehören, die nach einem Jahr in eine Ausbildung oder einen sozialversicherungspflichtigen Job vermittelt werden können. Im Durchschnitt schaffen das nur 15 Prozent. "Leider hat aber auch ein Drittel unserer derzeit 73 Teilnehmer jede Hoffnung auf Arbeit aufgegeben."

Wer es nicht schafft, wird im schlimmsten Fall bis zu seinem Lebensende in Armut leben und von einem Regelsatz von derzeit 404 Euro monatlich leben müssen. Für Patrick Reifenberg kommt das nicht in Frage. Er will zumindest noch einen intensiven Versuch starten, einen Ausbildungsplatz zum Konstruktionsmechaniker für Metall oder Zerspanner zu bekommen. Dafür macht er sich täglich in der Bürgerservice-Metallwerkstatt fit. Computerschulung und Bewerbungstraining ergänzen die handwerkliche Schulung, die vom Reparieren von Fahrrädern bis zum Fräsen und Montieren von Metall-Nussknackern reicht.

Absagen, Zeitarbeit, Minijobs

Seine Lebensgeschichte ist für junge Langzeitarbeitslose typisch: In schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen, machte er 2008 den Hauptschulabschluss und fand auch einen Ausbildungsplatz als Konstruktionsmechaniker.
"Vor dem Ende der Probezeit haben die mir dann gesagt, dass ich nicht mehr kommen muss", erinnert sich der 25-Jährige an den Beginn eines Bewerbungsmarathons. Es hagelte Absagen. Zwei Bewerbungsgespräche liefen nicht gut. Das ärgert ihn bis heute: "Die Leute haben nicht einmal geschaut, ob ich arbeiten kann." Was folgte, waren Zeitarbeit und Minijobs. Da gab es zwar ein wenig Geld. Aber für die Rentenkasse oder Arbeitslosenversicherung blieb nichts übrig.

Der soziale und finanzielle Abstieg war dennoch nicht zu Ende. Als vor drei Jahren sein Vater starb, konnte Reifenberg nicht mehr bei seiner Mutter wohnen. Mit einem Freund in ähnlich prekärer Situation bewohnt er seitdem eine Wohnung, in der es nicht einmal regelmäßig Strom gibt, weil die Stadtwerke einen Stromzähler eingebaut haben, der nur gegen Vorkasse funktioniert. "Ich habe versucht, wieder eine Arbeit zu finden", sagt der Mann. "Dass ich nichts gefunden habe, habe ich mir aber selbst zuzuschreiben."

Der Impuls für die Teilnahme an dem Qualifizierungsprojekt beim Bürgerservice - es war eher eine verpflichtende Anordnung - kam schließlich vom Jobcenter Trier, das die Maßnahme für Menschen zahlt, die Arbeitslosengeld II beziehen.

Projektleiter Martin Müller kennt viele ähnliche Geschichten wie die von Patrick Reifenberg. "Wer siebenmal den Job gewechselt hat, macht eben grundsätzlich einen schlechten Eindruck." Er hofft mit seinem Schützling, dass es endlich mit der Ausbildungsstelle klappt. Andernfalls ist die Rückkehr in den Teufelskreis Zeitarbeit und Minijobs kaum abzuwenden.

Der 25-Jährige selbst glaubt inzwischen fest daran, dass er in diesem Jahr endlich den Einstieg in einen Lehrberuf schaffen wird. "Mein Ziel ist ein Gesellenbrief und ein festes Arbeitsverhältnis. Dann muss ich endlich nicht mehr jeden Tag schauen, wie ich ihn überstehe."

Extra: Qualifizierungsprojekte

Die Jobcenter der Kommunen finanzieren Qualifizierungsprojekte für Jugendliche, Behinderte und Langzeitarbeitslose, wie sie der Bürgerservice Trier anbietet. Es geht dabei um die Heranführung an oder die Integration in den Arbeitsmarkt. Weitere Anbieter solcher Maßnahmen sind in Trier zum Beispiel der Palais e.V. und der Club Aktiv. Die Ortsverbände der Caritas sind in der gesamten Region aktiv. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm ist zudem die Alibi Eifelservice GmbH ein wichtiger Ansprechpartner. Im Kreis Bernkastel-Wittlich gilt das Überbetriebliche Ausbildungszentrum (ÜAZ) Wittlich als Arbeitsmarktpilot.

Volksfreund-Serie Armut: Die "Gesichter der Armut" sind das Thema einer Schwerpunkt-Serie des Trierischen Volksfreunds und volksfreund.de. Ein Dossier mit den Artikeln findet sich unter www.volksfreund.de/armut

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